Etymologie, Etimología, Étymologie, Etimologia, Etymology, (griech.) etymología, (lat.) etymologia, (esper.) etimologio
_e Einleitung, Introducción, Introduction, Introduzione, Introduction
Wörter des Monats, Des Mots du Mois, Words of the Month, (esper.) vortoj la monato (?)
Wort des Monats auf http://www.etymologie.info/

Wort des Monats auf http://www.etymologie.info/

(E1)(L1) http://www.etymologie.info/
Herr Professor Christoph Gutknecht hat sich freundlicherweise bereit erklärt, speziell für das Etymologie-Portal monatlich ein Wort genauer unter die Lupe zu nehmen.

Passend dazu finden Sie hier Informationen zu den Veröffentlichungen von Professor Christoph Gutknecht.

(E1)(L1) http://www.christoph-gutknecht.de/


(E1)(L1) https://www.slm.uni-hamburg.de/iaa/personen/ehemalige-emeriti/gutknecht-christoph.html


Wort des Monats November 2020
unter aller Sau unter aller Kanone

(E?)(L?) https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/unter-aller-sau/

Warum der derb-abwertende Spruch jiddischer Herkunft ist und nichts mit Schweinen zu tun hat

von Christoph Gutknecht
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Es ist offensichtlich, dass bei der Wortfügung "unter aller Sau" mit "Sau" kein Tier gemeint sein kann – vielmehr liegt ihr, worauf unter anderem Lutz Röhrich in seinem Lexikon der sprichwörtlichen Redewendungen (1991) verweist, das jiddische Wort "seo" zugrunde. Das bedeutet so viel wie "Maßstab" und wurde im Laufe der Zeit, ob durch ein Missverständnis oder in scherzhafter Analogie zu "unter aller Kanone", zu "Sau" umgedeutet, obwohl die jargonhafte Wendung mit dem weiblichen Schwein nichts zu tun hat.

Auch »unter aller Kanone« weist nicht auf das militärische Geschütz, sondern auf den lateinischen Schulausdruck "Kanon" ("Maßstab", "Richtschnur"). Alles unterhalb des Maßstabs galt als schlecht: "Sub omni canone" wurde im 19. Jahrhundert in der Schülersprache scherzhaft wörtlich mit "unter aller Kanone" übersetzt und damit zu einem beliebten Spruch – bis heute.
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Wort des Monats Juni 2017
Scherflein
sein Scherflein zu etwas beitragen

Üblicherweise verwendet man "Scherflein", wenn man "einen kleinen, bescheidenen finanziellen Beitrag für etwas leisten" möchte, zumeist in der Wendung "sein Scherflein zu etwas beitragen".

Der Ausdruck geht zurück auf das Neue Testament. Dort wird sowohl im Lukas-Evangelium (21,2) als auch im Markus-Evangelium (12,42) vom "Scherflein der Witwe" berichtet.

Vgl. Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl., München, 2013, Verlag C. H. Beck, S.72.

Wort des Monats Mai 2017
Windjammer

Wir kennen sie alle, die riesigen, rahgetakelten Segelschiffe, die im beginnenden Zeitalter der Dampfschifffahrt noch ein gewichtiges Wort im internationalen Seehandel mitsprechen wollten. Es gibt Erklärungen, die für die seemannssprachliche Bezeichnung auf ein Jammern der Segel im Wind verweisen, doch das ist blühender Unsinn. Der zweite Teil des Wortes hat nichts mit dem deutschen "Jammer" im Sinne von "Elend", "Wehklage" zu tun; "-jammer" ist vielmehr im 20. Jahrhundert aus dem Englischen entlehnt worden. Um elegant am Wind zu segeln, musste und muss man nämlich zuweilen mit bis an die Backstage angebrassten Rahen an den Wind "pressen" - dies die Bedeutung des englischen Verbs "to jam". Ein "Windjammer" ist also, wörtlich genommen, "ein Schiff, das sich gegen den Wind presst".

Vgl. Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl., München, 2013, Verlag C. H. Beck, S.166.

Wort des Monats April 2017
Fallstrick

Heinrich Krauss weist in seinem Werk über Geflügelte Bibelworte (1993:55) zu Recht darauf hin, dass das Wort - z.B. in Wendungen wie "Fallstricke legen" und "die Fallstricke meiden" - entgegen naheliegender Vermutung nicht auf einen im Verborgenen ausgespannten Strick hindeutet, durch den die Beute zu Fall kommt:

„Im antiken Jagdwesen war ein Fallstrick ein gestricktes Netz, das man über Vögel und andere Wildtiere herabfallen ließ, um sie zu fangen. Nur so ist die Bildsprache schlüssig, wenn Jesus, um die unerwartete Plötzlichkeit des kommenden Tages des Gerichts deutlich zu machen, seinen Zuhörern sagt, dieser Tag werde über sie kommen "wie ein Fallstrick" (Lk 21,34).“

Vgl. Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl., München, 2013, Verlag C. H. Beck, S.161.

Wort des Monats März 2017
Idiotentest

Hartwig Lödige, der mit seinem Büchlein „Audi, Kat und Cabrio“ (2000) eine „kleine Wortkunde der Autowelt“ vorgelegt hat, erläutert uns dieses „fachsprachliche“ Wort (ibid. S. 96):

„Den Ausdruck "Idiotentest" kennt der Volksmund für alle möglichen Eignungstests, aber vor allem als Bezeichnung für den Test, den jemand absolvieren muss, dem der "Lappen" entzogen wurde. Offiziell heißt dieser Test nicht "Idiotentest", sondern "Medizinisch-psychologische Untersuchung" ("MPU") und ist auch kein Intelligenztest. Da die allermeisten Führerscheine wegen Alkohol am Steuer eingezogen werden, geht‘s bei der MPU im Wesentlichen darum, zu überprüfen, ob der Kandidat einen verantwortungsbewussten Umgang mit dem Alkohol gelernt hat oder nicht. Durchgeführt wird die MPU vom Technischen "Überwachungs-Verein" ("TÜV").“

Vgl. Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl., München, 2013, Verlag C. H. Beck, S.163.

Wort des Monats Februar 2017
Zweck
Der Zweck heiligt die Mittel

Der Unsinn liegt bei diesem Grundsatz in seiner Formulierung, genauer: im Verb, denn wieso sollte der Zweck die Mittel heiligen? Zumal derjenige, auf den der Ausspruch zurückgeht, nun wirklich kein Heiliger war! Es war der florentinische Diplomat, Geschichtsschreiber, Philosoph und Dichter Niccoló Machiavelli (1469-1527), der in seinem berühmt gewordenen Buch „Il Principe“ („Der Fürst“; 1513) mit genauer Kenntnis der zeitgenössischen Politik und auf der Basis sorgfältiger Studien der Antike die Praktiken tyrannischer Machtstrukturen ungeschminkt dargestellt hat. Er empfahl für Italien auf dem Wege zu einer Republik übergangsweise die Etablierung der absoluten Macht eines Herrschers, der sich - ungeachtet aller moralischen und religiösen Bedenken - der Gewalt, des Betrugs, der List und des Eidbruchs bedienen könne: „Il fine giustifica i mezzi“ - "der Zweck rechtfertigt die Mittel".

Vgl. Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl., München, 2013, Verlag C. H. Beck, S.208.

Wort des Monats Januar 2017
Lamäng

"Etwas aus der Lamäng heraus machen" bedeutet: "etwas routiniert, sicher und ohne lange Nachdenken zu müssen, tun", "es gewissermaßen aus der Hand schütteln". Damit sind wir der Herkunft des Ausdrucks auch schon auf der Spur, die zum französischen "la main" ("die Hand") führt. Peter Schlobinski verweist in seinem Berliner Wörterbuch (21993:115) noch auf einen in Berlin üblichen, besonders amüsanten Gebrauch des Ausdrucks: "Was nicht in Frage kommt, kommt nich inne Lamäng".

Vgl. Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl., München, 2013, Verlag C. H. Beck, S.167.

Wort des Monats Dezember 2016
Ohr - es faustdick hinter den Ohren haben

Heinrich Raab (1981) gibt uns die Erklärung für diese ungewöhnliche Redensart:

»Nach Auffassung früherer Zeiten soll sich das Organ der Schlauheit in unmittelbarer Nähe der Ohren befunden haben. Die Ohrspeicheldrüsen galten als Gehirnabsonderung, auch gewisse geistige Kräfte aufspeichernd.«

Vgl. Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl., München, 2013, Verlag C. H. Beck, S.98.

Wort des Monats November 2016
Tuten - von Tuten und Blasen keine Ahnung haben

Die beliebte Redewendung bedeutet, dass jemand ›nicht das Geringste von etwas versteht‹, ›völlig unwissend ist‹. Sie ist seit 1601 in der Sprichwörtersammlung von Eucharius Eyering (Proverbia 2:385) belegt - »Er kann weder thuetten noch blasen« - dürfte aber wohl wesentlich älter sein.

Tuten und Blasen waren die Hauptaufgabe der im Mittelalter mindergeachteten Berufe des Kuhhirten und Nachtwächters. Wer nicht einmal für diese Aufgabe befähigt war, musste besonders dumm sein.

Vgl. Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl., München, 2013, Verlag C. H. Beck, 205.

Wort des Monats Oktober 2016
Schlemihl

Als man dem bayerischen Ministerpräsidenten vorhielt, er habe seine Einstellung zur Gentechnik gegenüber der von ihm als Landwirtschaftsminister vertretenen Position geändert, reagierte er - wie »Die Welt« schrieb - »mit dem bekannten Schlemihl-Lächeln«. Gemeint war die im Duden als »landschaftlich-umgangssprachlich« charakterisierte Zweitbedeutung von "Schlemihl", nämlich "Schlitzohr".

Auch in der deutschen Fassung der Sesamstraße gab man dem im amerikanischen Original »Lefty« genannten Händler, der seine Partner über den Tisch ziehen will, wegen seiner Schlitzohrigkeit den Namen "Schlemihl".

Die Hauptbedeutung der orthografisch variierenden Bezeichnung ist jedoch eine andere, nämlich: "Pechvogel".

(E1)(L1) http://www.bebraverlag.de/verzeichnis/titel/702-gauner-grosskotz-kesse-lola.html

Vgl. Christoph Gutknecht: Gauner, Großkotz, kesse Lola: Deutsch-jiddische Wortgeschichten. Berlin 2016: be.bra verlag, S. 64ff.


Wort des Monats August 2016
Chuzpe

Der Duden - Deutsches Universalwörterbuch (6/2006) definiert "Chuzpe" als "Unverfrorenheit", "Dreistigkeit", "Unverschämtheit". Doch das erscheint mir zu einseitig. Chuzpe ist ein jiddisches Wort, das für die einen "Unverschämtheit" und "Frechheit" bedeutet, für die anderen aber "Kühnheit und Entschiedenheit". Es liegt wahrhaftig am Standpunkt des Betrachters.

(E1)(L1) http://www.bebraverlag.de/verzeichnis/titel/702-gauner-grosskotz-kesse-lola.html

Vgl. Christoph Gutknecht: Gauner, Großkotz, kesse Lola: Deutsch-jiddische Wortgeschichten. Berlin 2016: be.bra verlag, S. 64ff.


Wort des Monats Juli 2016
Jud

In seinem letzten, 1939 abgedruckten Fragment zur deutschen Volkssprache beleuchtete Adolf Josef Storfer die Verwendung des Wortes "Jud" im Sport: »In Wiener Fußballspielerkreisen wird ein unrichtiger Kick, wenn man nämlich den Ball mit der Fußspitze trifft, als Jud bezeichnet.« Dass dieser Gebrauch noch heute bekannt ist und möglicherweise mit der Geschichte des Antisemitismus zusammenhängt, erläutert Manfred Glauninger, der sich 2007 in einem Interview des ORF auch als Kenner der Fußballsprache erwies: »Der Spitz, also der Schuss mit Schuhspitze, wird bzw. wurde mitunter auch Jud‘ und Isaak genannt. Es ist zu vermuten, dass hier zwei Aspekte eine Rolle spielen. Zum einen ist der Spitz bzw. Jud‘ keine besonders goutierte, weil unkontrollierte Schusstechnik. Und es ist wahrscheinlich, dass diese pejorative, sprich abwertende Komponente ihre Wurzeln im Antisemitismus hat. Es könnte aber auch sein, dass es sich dabei um eine Anspielung auf die in der Zwischenkriegszeit sehr aktive jüdische Sportvereinsszene handelt. Der SC Hakoah Wien war zum Beispiel 1925 österreichischer Fußballmeister.«

(E1)(L1) http://www.bebraverlag.de/verzeichnis/titel/702-gauner-grosskotz-kesse-lola.html

Vgl. Christoph Gutknecht, Gauner, Großkotz, kesse Lola: Deutsch-jiddische Wortgeschichten. Berlin-Brandenburg 2016: be.bra verlag, S. 202.


Wort des Monats Juni 2016
Zosse

Die Wortherkunft von "Zosse" ist aufgeklärt. Schon Agathe Lasch stellte in ihrer sprachgeschichtlichen Untersuchung (Berlinisch, 1928) klar:

»"Zosse", "Pferd", hat nichts, wie man früher oft las, mit dem "Zossener Pferdemarkt" zu tun, sondern ist das alte rotwelsche "Soßgen", "Sossen", "zusem" (hebräisch "sus"). Dass gerade dieses Wort in die Alltagssprache übergehen konnte, erklärt sich aus dem starken Anteil, den Zigeuner am Pferdehandel hatten.«

(E1)(L1) http://www.bebraverlag.de/verzeichnis/titel/702-gauner-grosskotz-kesse-lola.html

Vgl. Christoph Gutknecht: Gauner, Großkotz, kesse Lola: Deutsch-jiddische Wortgeschichten, Be.bra Verlag, Berlin 2016, S. 149.


Wort des Monats Mai 2016
molum
môlum

"molum" = "betrunken"

Eduard Naschérs "Buch des jüdischen Jargons" (1910) und Erich Bischoffs "Jüdisch-deutscher und deutsch-jüdischer Dolmetscher" (1916) registrierten noch das vom hebräischen "mâlê" ("voll") hergeleitete Wort "môle" ("betrunken"), das bei Studenten "môlum" hieß und sich schon in Friedrich Christian Laukhards Roman "Franz Wolfstein oder Begebenheiten eines dummen Teufels" (1799) findet. Auch Berliner lachten über eine Stelle in Julius Stindes Roman "Die Familie Buchholz - aus dem Leben der Hauptstadt" (1884): »Die Gemütsbewegung, der Rum und die angeborene Dämlichkeit hatten ihre Schuldigkeit getan - Herr Weigelt war molum.«

Doch neuerdings ist das Lexem - z.B. für Hermann Pauls "Deutsches Wörterbuch" (2002), Bertelsmanns "Wörterbuch der deutschen Sprache" (2004), das "Duden-Universalwörterbuch" (2006) und selbst für Wolfgang Pfeifers "Etymologisches Wörterbuch" (2010) - tabu.

(E1)(L1) http://www.bebraverlag.de/verzeichnis/titel/702-gauner-grosskotz-kesse-lola.html

Vgl. Christoph Gutknecht: Gauner, Großkotz, kesse Lola: Deutsch-jiddische Wortgeschichten, Be.bra Verlag, Berlin 2016, S. 149.


Wort des Monats April 2016
Coming-out

Zu den "Schlüsselbegriffen des 20. Jahrhunderts" zählt die "Gesellschaft für deutsche Sprache" in ihrem Buch über "Wörter, die Geschichte machten" (2001) auch das Verb "outen", das sich seit Beginn der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts verstärkt in zwei (kommunikativen und grammatischen) Varianten durchsetzt. "Jemanden outen" steht für "homosexuelle Personen, insbesondere Prominente, gegen ihren Willen in der Öffentlichkeit bloßstellen, indem man ihre Homosexualität preisgibt"; "sich outen" bedeutet: "selbst in der Öffentlichkeit zugeben, daß man homosexuell (schwul) oder bisexuell ist". Dazu gehören Wendungen wie "sein Coming out haben", "über sein Coming out reden", usw.

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats März 2016
Mensch
Mentsh
Mensh
Mentsch

Der Kolumnist Richard Cohen ernannte 1986 in der Washington Post "Mensch" zum größten Geschenk des Jiddischen an die englische Sprache. US-Zeitungen basteln daraus immer wieder eigene Wortschöpfungen wie "menschy", "menschyness" und "mentshkeit".

(E1)(L1) http://www.bebraverlag.de/
Vgl. Christoph Gutknecht: Gauner, Großkotz, kesse Lola: Deutsch-jiddische Wortgeschichten, Berlin 2016: Edition q im Be.bra Verlag, S. 100.

(E1)(L1) http://www.bebraverlag.de/verzeichnis/titel/702-gauner-grosskotz-kesse-lola.html

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Christoph Gutknecht
Gauner, Großkotz, kesse Lola
Deutsch-jiddische Wortgeschichten
ca. 272 Seiten
12,5 x 19 cm, Pb.
ca. 12,95 € [D] / 16,90 SFr / 13,40 € [A]
ISBN 978-3-86124-696-1


Wort des Monats Februar 2016
Geschmus

"Geschmus" stammt aus dem Jiddischen. Mit "Liebkosungen", für die man es auf Deutsch verwendet, hat der Begriff ursprünglich nichts zu tun. Das hebräische "schemuá" heißt "Gerücht" oder "Geschwätz". Auf Jiddisch steht das Verb "schmusen" für "freundschaftliche, vertrauensvolle Plauderei".

(E1)(L1) http://www.bebraverlag.de/
Vgl. dazu Christoph Gutknecht: Gauner, Großkotz, kesse Lola: Deutsch-jiddische Wortgeschichten. Berlin 2016: be.bra verlag.

(E1)(L1) http://www.bebraverlag.de/verzeichnis/titel/702-gauner-grosskotz-kesse-lola.html


(E1)(L1) http://www.bebraverlag.de/images/Vorschau/Vorschau_Fj2016_Ansicht-gesamt.pdf

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Gauner, Großkotz, kesse Lola
Deutsch-jiddische Wortgeschichten
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Wort des Monats Januar 2016
Gannef

Das Wort "Gannef" verwenden unsere südlichen Nachbarn seit dem 19. Jahrhundert. Robert Sedlaczeks Wörterbuch der Alltagssprache Österreichs führt es noch 2011 für "Gauner", "Schlingel" auf. Es ist aus dem Rotwelschen entlehnt, wo es seit dem 18. Jahrhundert bezeugt ist, das Verb "genffen", "geniffen" (= "stehlen") schon seit dem frühen 16. Jahrhundert. Hergeleitet ist es vom westjiddischen "gannew", das auf dem gleichbedeutenden hebräischen Wort "gannâbh" (= "Dieb") basiert.

(E1)(L1) http://www.bebraverlag.de/
Vgl. dazu Christoph Gutknecht: Gauner, Großkotz, kesse Lola: Deutsch-jiddische Wortgeschichten. Berlin 2016: be.bra verlag.

(E1)(L1) http://www.bebraverlag.de/verzeichnis/titel/702-gauner-grosskotz-kesse-lola.html


(E1)(L1) http://www.bebraverlag.de/images/Vorschau/Vorschau_Fj2016_Ansicht-gesamt.pdf

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Christoph Gutknecht
Gauner, Großkotz, kesse Lola
Deutsch-jiddische Wortgeschichten
ca. 272 Seiten
12,5 x 19 cm, Pb.
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ISBN 978-3-86124-696-1


Wort des Monats Dezember 2015
das ist alles Essig
das ist Essig

Die Redewendung "es ist Essig" charakterisiert der Duden als umgangssprachlich und deutet sie - ebenso wie das Bertelsmann Wörterbuch der deutschen Sprache (2004) - im Sinne von "es ist vorbei", "daraus wird nichts mehr", "etwas kommt nicht mehr zustande". Leicht modifiziert klingen die Varianten in Frankfurt ("Es war awwer Essig" = "es war umsonst", "es war nichts") und in Berlin ("det is Essig" = "unangenehm", "schlecht"). Das Duden-Herkunftswörterbuch (1989) ergänzt, dieser übertragene Gebrauch habe sich erst im Neuhochdeutschen herausgebildet.

Gewiss wird Wein bei zu langer Gärung zu Essig und verliert damit seinen Wert, was sich u.a. in der Pfälzer Weinbau-Metapher "des is zu Essich worre" niederschlägt. Doch der Ursprung der Redensart hat nichts mit Weinbau, aber viel mit dem Geschäftsleben zu tun. Der Frankfurter Ausspruch: "Des is kaa Essig net" zeigt, dass deutsche Juden das jiddische Wort "heisik" (rabbinisch: "hêsek") im Sinne von "Schaden", "Verlust" gebrauchten.

(E1)(L1) http://www.bebraverlag.de/
Vgl. dazu Christoph Gutknecht: Gauner, Großkotz, kesse Lola: Deutsch-jiddische Wortgeschichten. Berlin 2016: be.bra verlag.

(E1)(L1) http://www.bebraverlag.de/verzeichnis/titel/702-gauner-grosskotz-kesse-lola.html


(E1)(L1) http://www.bebraverlag.de/images/Vorschau/Vorschau_Fj2016_Ansicht-gesamt.pdf

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Jetzt wird Tacheles geredet

Schlamassel, Pustekuchen, Saure-Gurken-Zeit - etliche deutsche Begriffe und Redensarten stammen ursprünglich aus dem Jiddischen. In 64 vergnüglichen Wortgeschichten erklärt der Sprachexperte Christoph Gutknecht, woher Begriffe wie "Pleite", "Großkotz" oder "Mammon" kommen und was sie ursprünglich bedeutet haben. Dabei zeigt sich, dass das jiddische Sprachgut über die Einfallstore Berlin und Wien ins Deutsche gelangte und das Deutsche um viele Ausdrücke bereichert hat.

Christoph Gutknecht, geboren 1939 in Hamburg, lehrte bis 2001 als Professor am Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Hamburg. Heute arbeitet der Sprachwissenschaftler als Publizist (u. a. für die Jüdische Allgemeine, das Internetforum Kultura-Extra und den Schweizer Monat) sowie als Synchron- und Off-Sprecher für Rundfunk, Film und Fernsehen. Bekannt wurden seine NDR-Radioserien »Über fremde Sprachen« und »Der Sprache auf der Spur« sowie etliche Bücher über deutsche Redensarten, darunter »Lauter böhmische Dörfer«, »Lauter blühender Unsinn« und »Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit«.)

Aus dem Inhalt: Christoph Gutknecht
Gauner, Großkotz, kesse Lola
Deutsch-jiddische Wortgeschichten
ca. 272 Seiten
12,5 x 19 cm, Pb.
ca. 12,95 € [D] / 16,90 SFr / 13,40 € [A]
ISBN 978-3-86124-696-1


Wort des Monats November 2015
Schlafstunde

Dieses Wort, das im Hebräischen den "Mittagsschlaf" bezeichnet, gehört - neben "Spachtel", "unter Putz", "Isolierband", "Beton", "Gummi", "Dibel" (= "Dübel"), "Leiste", "Schieber" (= "Regler"), "Stichmaß", "Erdung", "Kurzschluss", "Kugellager", "Oto" (= "Auto"), "Winker" (= "Blinker") etc. - zu den vom israelischen Dolmetscher und Übersetzer Uriel Adiv seit 2006 dokumentierten deutschen und jiddischen Lehnwörtern im Iwrit. Vom Computerlexikografen Dr. Peter Meyer am Institut für Deutsche Sprache (IDS) wurde seine über 500 Einträge umfassende Sammlung überarbeitet. Am 30. September dieses Jahres wurde sie als Internetwörterbuch auf der Online-Plattform »Lehnwortportal Deutsch« des Instituts für Deutsche Sprache (http://lwp.ids-mannheim.de) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/23374
Vgl. Christoph Gutknecht: »Spachtel, Strudel, Schlafstunde. Ein Online-Wörterbuch mit 1500 Einträgen dokumentiert Germanismen im modernen Hebräisch«, in: Jüdische Allgemeine, 70. Jg., Nr. 39-40 v. 25.9.2015, S. 23.

(E?)(L?) http://lwp.ids-mannheim.de


(E?)(L?) http://lwp.ids-mannheim.de/letter/hebr/A

Deutsche Lehnwörter im Hebräischen (Adiv 2015)


Wort des Monats Oktober 2015
kapores
kaputt

Das heute nur noch selten synonym zu "kaputt" benutzte "kapores" entstammt dem westjiddischen Ausdruck "kapores shlogn", der auf den am Vorabend von Jom Kippur durchgeführten Brauch zielte, Hühner als Sühneopfer um den eigenen Kopf zu schwingen und später zu schlachten. Das hebräische "kapara", "kaparah" stand dabei für "Sühne", "kaparot" für "Versöhnung".

Im Rotwelschen ist das Lexem seit dem 18. Jahrhundert bezeugt: "Capores/capore machen" übersetzten das Duisburger Vocabular (1724) und das Waldheimer Lexikon (1726) als "ermorden", "morden". Die Rotwelsche Grammatik (1755) deutete "Kabbores gehen" als "ums Leben kommen". J. K. von Trains Woerterbuch der Gauner- und Diebs vulgo Jenischen Sprache (1833) erwähnt "kapores" für "leblos", "tot", "kapore teken" für "Sühneopfer darbringen" und - durchaus prosaisch - "kapores malochnen" für "vertilgen".

E. W. Germers Schrift Das Studentenkorps Vandalia (1859) aus Leipzig zeigt, dass "kapores sein" (für "kaputt sein") über das Rotwelsche in die Studentensprache gelangte. Noch heute gibt der Duden für "kapores gehen" die Bedeutung "entzwei gehen" an, attestiert ihm aber eine geringe Häufigkeit.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/23269
Vgl. »Pleite, bankrott, kaputt: Wie ›kapores‹ vom Sühneopfer an Jom Kippur über die Handelssprache in den Alltagswortschatz überging«, in: Jüdische Allgemeine, 70. Jg., Nr. 37-38 v. 10.9.2015, S. 17.

Pleite, bankrott, kaputt

Wie »kapores« vom Sühneopfer an Jom Kippur über die Handelssprache in den Alltagswortschatz überging
10.09.2015 - von Christoph GutknechtChristoph Gutknecht

Wort des Monats September 2015
Mosern und dibbern

Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache des 20. Jahrhunderts charakterisiert "mosern" im Sinne von "quengeln", "nörgeln" als landschaftlich und salopp. C. W. Zimmermann definierte das Wort in "Die Diebe in Berlin" (1847) als "sprechen", auch "kaspern", "sich durch Klopfen an die Wand den Mitgefangenen verständlich machen" und setzte "vermosern" gleich mit "verpfeifen", "jemanden durch seine Angaben oder Geständnisse dergestalt hineinreiten, dass derselbe für überführt erachtet wird". Im Jiddischen gab es "massren" für "anschwärzen" und das Substantiv "Mosserer" ("Denunziant").

Das seit dem 15. Jahrhundert bezeugte Wort "dibbern" wurde über das Rotwelsche und die Händlersprachen aus dem Westjiddischen entlehnt. H. Sterns "Wörterbuch zum jiddischen Lehnwortschatz in den deutschen Dialekten" (2000) beleuchtet das semantische Spektrum von "dibbern" - vom standardsprachlichen "leise auf jemanden einreden" über die Deutung als "zanken" (Rheinisches Wörterbuch) bis zur Auslegung als "nörgeln" (Hamburgisches Wörterbuch).

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/23161
Vgl. Christoph Gutknecht: »Mosern ist nicht gleich Mosern: Der jiddischstämmige Begriff hatte über die Jahrhunderte unterschiedliche Bedeutungen«, in: Jüdische Allgemeine, 70. Jg., Nr. 35 v. 27.8.2015, S. 17.

Wort des Monats August 2015
Hals- und Beinbruch

Es gab viele Deutungen dieses eigenartigen Wunsches. Salcia Landmann führte in ihrem Buch - Jiddisch. Abenteuer einer Sprache (1962) - zur richtigen Lösung: »Die meisten vermuten hier den alten Aberglauben, wonach man das Gute nur herbeibeschwören kann, indem man scheinbar das Böse herbeiwünscht. Tatsächlich ist es abermals das Rotwelsch, genauer: reines Hebräisch, heißt ursprünglich "hazlóche un bróche" ("hazlachá" = "Glück" und "b’rachá" = "Segen") und wird auch heute noch von Juden in dieser ursprünglichen Formel hebräisch wie jiddisch oft verwendet.« Deutsche Zuhörer bewahrten die missverstandene Glücksformel in verballhornter Form als "Hals- und Beinbruch".

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/22853
Vgl. Christoph Gutknecht: »Viel Glück und viel Segen - Wie die hebräische Redewendung "Hazloche un Broche" über Umwege zu "Hals- und Beinbruch" wurde«, in: Jüdische Allgemeine, 70. Jg., Nr. 30 v. 23.7.2015, S. 17.

Wort des Monats Juli 2015
Zoff

"Zoff" leitet sich aus dem hebräischen Substantiv "Sof" her - mit der Bedeutung ("Ende", "Schluss"), die auch im Jiddischen üblich ist, wobei dort aus dem Gaunervokabular oft die Nuance "Schluss der Untersuchung" mitschwingt.

Die hebräischen Lettern "Sin" und "Samech" werden im Jiddischen wortanlautend vereinzelt statt als Reibelaut "s" auch als Affrikate "ts" artikuliert. Bei "Zoff" und "Sof" entwickelten sich die Varianten auch semantisch auseinander. Während "Sof" die quellsprachliche Bedeutung "Ende" behielt, wurde "Zoff" in der Umgangssprache der Christen ausschließlich in seiner metonymischen Bedeutung "Streit" verwendet. Der Bedeutungswandel im Deutschen wird auf den jiddischen Ausdruck "mieser soff" ("böses Ende") zurückgeführt.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/22472
Vgl. Christoph Gutknecht: "Bloß keinen Zoff! Wie das hebräischstämmig Wort vom jiddischen Gaunervokabular Eingang in unseren Wortschatz fand", in: Jüdische Allgemeine, 70. Jg., Nr. 24, vom 11.6.2015, S. 17.

Wort des Monats Juni 2015
Techtelmechtel

Das umgangssprachliche Lexem, das ursprünglich "Zank", "unerlaubter Kunstgriff" oder "Durchstecherei" und erst wesentlich später "Liebelei" bedeutete, ist wegen seines jüdischen Gepräges, vor allem wegen der Reduplikation, auch dem Nahbereich des Masematte-Wortschatzes zuzuordnen. Zweifellos war und ist die Reimdoppelung im mündlichen Jiddisch beliebt, auch wenn "Techtelmechtel" in Wortverzeichnissen fehlt.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/22245
Vgl. Christoph Gutknecht: »Vom Zank zur Affäre: Wie das ›Techtelmechtel‹ zum Synonym für Liebelei wurde«, in: Jüdische Allgemeine, 70. Jg., Nr. 20 v. 13.5.2015, S. 17.

Wort des Monats Mai 2015
Daffke
aus Daffke

"Daffke" zählt zu den 100 häufigsten Hebraismen im Jiddischen. Der westjiddische Ausdruck, der auf das hebräische Wort "dawqa", "davka" mit den Bedeutungsnuancen "nur so (und nicht anders)", "durchaus" zurückgeht, ist über das rotwelsche "dafko", das für "durchaus", "absolut" steht, ins Deutsche gelangt. Im Deutschen, nicht im Jiddischen, wurde neben dem Adverb auch das Substantiv "Daffke" bekannt - seit dem 20. Jahrhundert gemeinhin in der als berlinerisch verorteten umgangssprachlichen Redensart "(etwas) aus Daffke (tun)", im Sinne von "(etwas) nun erst recht, aus Trotz, nur zum Spaß (tun)".

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/21783/highlight/Daffke
Vgl. Christoph Gutknecht: »Alles nur aus Daffke: Wie eine hebräische Gewissheit zum deutschen Trotz wurde«, in: Jüdische Allgemeine, 70. Jg., Nr. 12 v. 19.3.2015, S. 17.

Wort des Monats April 2015
Schickse
Schekez

"Schickse" und "Schekez" haben eine bunte Wortgeschichte. Das Substantiv "schéqes" ist seit dem biblischen Hebräisch belegt, in der Bedeutung "Gräuel vor Unreinem" (wörtlich 1. Buch Mose 3: "Kriechtier"). Im Jiddischen steht "Schejgez"/"Schegez"/"Schekez" (Plural: "Schkózim") für den nicht-jüdischen jungen Mann.

Die, verglichen mit dem männlichen "Schekez", geläufigere weibliche "Schickse" geht auf das Femininum "schiqesa" (neuhebräisch "schiktso" = "die Unreine") zurück, das erst in nachantiker Zeit gebildet wurde. Es bezeichnete, wie später das jiddische "Schickse" / "Schiggse", zunächst ein nichtjüdisches Mädchen oder Dienstmädchen. Erst im Lauf der Zeit wurde die "Schickse" semantisch zuweilen pejorativ ausgeweitet zum "leichten Mädchen" oder "Flittchen". Inzwischen ist der Begriff auch hierzulande nicht mehr nur negativ besetzt: Stolz nennt sich ein weiblicher Fanklub von Borussia Dortmund »Die BVB-Schicksen«.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/21468
Vgl. Christoph Gutknecht: »Schick, die Schickse: Das jiddische Wort für nichtjüdische Frauen gilt als beleidigend. Aber manche schmücken sich auch damit«, in: Jüdische Allge-meine, 70. Jg., Nr. 7, S. 17.

Wort des Monats März 2015
stickum
stiekum

"stiekum", "stickum" entstammt dem Rotwelschen, wo es für "ruhig", "leise" stand. Es leitet sich vom westjiddischen "schtieke" ("ruhig") her, das seinerseits auf das hebräische "schetikah" ("Schweigen") zurückgeht.

Peter Honnen gibt in seinem Regionalwörterbuch des Rheinlands Kappes, Knies und Klüngel (2012) lebensechte Beispiele: »Dat hat der sich ganz stickum inne Tasche gesteckt. - Wat bisse so stickum - gehdet dir nich gut?«

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/21585
Vgl. Christoph Gutknecht: »Stieke und hintenrum: Vom hebräischen Schweigen zur deutschen Heimlichtuerei«, in: Jüdische Allgemeine, 70. Jg., Nr. 9 (vom 26.2.2015), S. 17.

Wort des Monats Februar 2015
zocken
abzocken
Abzocker
Abzockerei
abgezockt

In Deutschland steht das umgangssprachliche "zocken", auch im übertragenen Sinne, für "Glücksspiele oder riskante Börsengeschäfte betreiben"; im saloppen Gebrauch (vor allem bei Glücksspielen) für "risikofreudig agieren"; im Computerspieler-Jargon für "(ein Computer- oder Konsolenspiel) spielen".

Die Entlehnung erfolgte über das Rotwelsche: Dort steht "zchokken" für "lachen" - es leitet sich vom westjiddischen "zchoken" ("lachen") her, welches seinerseits dem hebräischen Lexem "sehoq" (für "spielen", eigentlich "lachen") entstammt. Beim attributiv, prädikativ und adverbial gebrauchten Adjektiv "abgezockt" deutet die Verwendung - auf den Sportbereich bezogen - auf eine neutrale bis anerkennende Einstellung des Sprechers: »Wir haben allesamt durch unsere Auftritte im Europapokal viel dazugelernt und sind wesentlich abgezockter geworden.« Bezieht sich "abgezockt" auf Bereiche wie Wirtschaft, Kultur oder Politik, so zeigen die Belege meist eine negativ-abwertende Sprechereinstellung: »Was haben wir ihm (dem Banker) nicht alles angedichtet? Abgezockter Yuppie, eiskalter Betrüger, neureicher Blender« (Die Zeit 38/1995).

Wort des Monats Januar 2015
dufte
taff

Dass "dufte" sich vom hebräischen und jiddischen "tow" (= "gut") herleitet, gilt als gesichert. Das Adjektiv hat, vornehmlich in Berlin, schon Mitte des 19. Jahrhunderts Karriere gemacht. Als sogenanntes »Entzückungswort« war es damals umgangssprachlich ähnlich populär wie die heute nicht mehr nur jugendsprachlichen Modeausdrücke "geil", "krass" oder "cool".

"Dufte" gilt heute eher als »uncool« oder »kontrageil« und wurde längst unter anderem durch "taff" ersetzt, das nicht, wie manche glauben, dem englischen Adjektiv "tough" (= "zäh") nachgebildet ist, sondern eher das alte jiddische "toff" wieder belebt.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/20999
Vgl. »Ick find dir dufte: Was auf Hebräisch gut ist, entzückt auch im Umgangsdeutsch«, in: Jüdische Allgemeine, 69. Jg., Nr. 51 (v. 18.12.2014), S.17.

Wort des Monats Dezember 2014
Kaff
Kaffer

Kaffer und Kaff

Bei der Bedeutung des abwertenden Begriffs "Kaffer" sind sich die großen Lexika einig. Im Bertelsmann Wörterbuch der deutschen Sprache (2004) lesen wir "dummer Kerl", "Tölpel", im Duden-Universalwörterbuch (2006) "Dummkopf", "blöder Mensch".

Wie viele andere deutsche Verbalinjurien stammt auch der "Kaffer" aus dem Jiddischen. Zur Etymologie des Worts schreibt Klepschs "Westjiddisches Wörterbuch" (2004), zu dem schon in der Bibel belegten Substantiv "kefar" (= "Dorf") werde »erst in einer nachantiken Stufe des Hebräischen das Adjektiv "kafrî" (= "dörflich", "ländlich") gebildet. Dieses wird im Jiddischen als Substantiv "Kaffri" oder "Kaffer" (= "Bauer", "Dorfbewohner") verwendet«.

Ob der "Kaffer" etwas mit dem "Kaff", dem elenden Nest, zu tun hat, war lange umstritten. Als mögliche Wortwurzel bietet sich eine Rückbildung von "Kaffer" an oder eine Rotwelsch-Prägung vom hebräischen Buchstaben "kaph" - als Kürzel für das westjiddische Wort "kephar" (= "Dorf").

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/20821
Vgl. »Von Käffern und Kaffern: Wie aus dem biblischen Dorf eine deutsche Verbalinjurie wurde«, in: Jüdische Allgemeine, 69. Jg., Nr. 48 (v. 27.11.2014), S.17.

Wort des Monats November 2014
Nebbich

"Nebbich" ist einer der schillerndsten jiddischen Begriffe. Woher stammt er und was bedeutet er? Alfred Klepsch ("Westjiddisches Wörterbuch", 2004) optiert für die Rückführung auf das althdt. "ni eo wiht" beziehungsweise das mittelhochdeutsches "niwiht" (für "nichts"). Avé-Lallemant leitet "nebbich" / "newich" von der böhmischen Affirmativpartikel "nybrz" ab, zur Betonung des Ausdrucks im Sinne von "ja", "fürwahr", "wirklich"; "nebbich" diene im Jüdischdeutschen gewöhnlich als verstärkender Ausdruck des Bedauerns und Mitleids: "er ist nebbich chole" für "er ist leider krank". Andere Linguisten deuten auf die polnische Interjektion " nieboze" (= "nicht Gott") für "ach Gott!"; "armes Ding"; "leider"; "tut mir leid". Der mehreren Wortarten angehörende Begriff tritt als Interjektion, als Adverb, selten als Adjektiv - oft aber als maskulines Substantiv auf. In dieser Form bezeichnet er "dummes Zeug", meistens aber den "Versager".

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/20467
Vgl. Christoph Gutknecht: »Nebbich e Wort: Woher stammt einer der schillerndsten jiddischen Begriffe? Und was bedeutet er?, in: Jüdische Allgemeine, 69. Jg., Nr. 42 (v. 15.10.2014), S.17.

Wort des Monats Oktober 2014
Chonte

"Chonte", in Deutschland nicht mehr sehr bekannt, in Österreich schon eher.

Das Wort "Chonte" sucht man heute vergeblich in Nachschlagewerken. Allein Heinz Küppers Wörterbuch der deutschen Umgangssprache (1990) gibt den Hinweis: »(jüdische) Prostituierte; fußt auf der gleichbedeutenden und gleichlautenden jiddischen Vokabel«. Peter Wehle nannte in Die Wiener Gaunersprache (1977) "Chonte" (mit der Variante "Chunne") eines jener »immer seltener werdenden Rotwelschwörter«. Das Lexem "Chonte" entstammt dem Hebräischen. Auffällig ist, dass es in deutschen Dialekten, die jiddische Ausdrücke sonst gern entlehnten, nicht auftaucht - abgesehen vom mundartlich-hessischen "Chondelchen" für "leichtsinniges, leichtes Mädchen".

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/20120/highlight/Chonte
Vgl. Christoph Gutknecht: »Die geheimnisvolle Chonte: Woher das das jiddische Wort für ›Hure‹ stammt, darüber streiten die Experten«, in: Jüdische Allgemeine, 69. Jg. , Nr. 36 (v. 4. 9. 2014), S.17.

Wort des Monats September 2014
Gauner

Das "G" am Anfang ist vergleichsweise neu. Ursprünglich war der "Gauner" ein "Jauner".

Das ursprüngliche "J" am Wortanfang verweist auf die Herkunft aus dem Hebräischen. Nach einer Lesart ist die Wurzel das hebräisch-aramäische Verb "janah" (= "niederschlagen", "beim Geschäft drücken" / "beim Geschäft übervorteilen"). Plausibler allerdings ist die These des aus einer jüdischen Gelehrtenfamilie stammenden Wiener Juristen und Philologen Alfred Landau (1850-1935). Er führte "Gauner" erstmals auf das hebräische Wort "jawan" (= "Grieche", eigentlich "Ionier") zurück, das sich abwertend auf die nach der türkischen Eroberung Konstantinopels (1453) heimatlos umherziehenden Griechen bezog.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/19892
Vgl. »Vom Griechen zum Gauner: Wie aus dem Ionier über das Hebräische der deutsche Betrüger wurde.«, in: Jüdische Allgemeine, 69. Jg. , Nr. 32 (v. 7.8.2014), S.17.

Wort des Monats August 2014
Großkotz

Mit Brechreiz hat das Wort, auch wenn es danach klingt, nichts zu tun. Es ist aus dem Jiddischen über das Rotwelsche ins Deutsche gelangt. Als "Koozen" findet es sich in F. L. A. v. Grolmanns Wörterbuch der in Teutschland üblichen Spitzbuben-Sprachen (1822), während Wilhelm Polzers Gauner-Wörterbuch für den Kriminalpraktiker (1922) die Bezeichnung "Kotz" für den "Prahler" anführt.

Abraham Tendlau verdeutlicht in Jüdische Sprichwörter und Redensarten (1860) die etymologische Herkunft: »"Kozen", "Kazin" heißt biblisch: "Richter", "Führer", "Fürst"; im späteren Hebräismus ein "reicher Mann": ein dicker, fetter Kozen.«

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/19757

Vgl. Großkotze und andere Angeber. Mit Brechreiz hat das Wort nichts zu tun: Es stammt aus dem Hebräischen«, in: Jüdische Allgemeine, 69. Jg., Nr. 30 (v. 24.7.2014), S. 17.


Wort des Monats Juli 2014
Bohei

Es gibt eine Vielzahl von Herleitungsversuchen für dieses Wort, das im Sinne von "Tamtam", "Lärm" und "Aufhebens" gebraucht wird.

Übersehen werden häufig Hinweise auf jiddische beziehungsweise hebräische Ursprünge.

Werner Weinberg (Die Reste des Jüdischdeutschen, 1973) deutet auf die Losung »Spar dir die Hei und die Wow« im Sinne von »Rede nichts Unnützes, Überflüssiges«. Der Spruch spielt auf die hebräischen Lettern "He", "Hej" und "Wav" an, die als sogenannte matres lectionis, also Lesehilfen, für die Vokale dienen, ohne selbst Informationswert zu besitzen.

Und Peter Honnen verweist in "Alles Kokolores?" (2009) auf das französische "brouhaha" für "Lärm", "Getöse", "Stimmengewirr", die verballhornte hebräische Wendung "baruch haba" ("Gesegnet sei, der da kommt"), die als Teufel verkleidete Geistliche in französischen Mysterienspielen brüllten. »Auf dem Wege ins Niederländische wurde aus "brouhaha" schließlich "poehaai" oder "boehaa", die Urform unseres "Buhei".«

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/19556

Vgl. Christoph Gutknecht: "Viel Bohei um Bohei: Geht das Wort auf einen schottischen Kampfruf zurück? Oder auf einen hebräischen Segensspruch?" in: Jüdische Allgemeine vom 3.7.2014.


Wort des Monats Juni 2014
Mammon

Schon in Bischof Wulfilas (311-383) frühester Übertragung des Neuen Testaments in eine germanische Sprache heißt es im Gotischen: »Ni manna mag twaim fraujam skalkinon; ni maguth guda skalkinon jah mammo-nin« (Kein Mensch kann zwei Herren dienen; Du kannst nicht Gott dienen und dem Mammon).

Aus der griechischen Form "mamonâs" wurde in der lateinischen Vulgata "mammona", "mamona". Martin Luther ließ das Wort in seiner Bibelfassung (in Mt 6,24; Lk 16,9; 11 und 13) unübersetzt, wodurch es ab dem 16. Jahrhundert ins Deutsche gelangte.

Wort des Monats Mai 2014
Schmiere
Schmiere stehen

Der saloppe Ausdruck "Schmiere stehen", der sich auch im Grimm’schen Wörterbuch von 1896 findet, hat nichts mit Fett zu tun. Er geht zurück auf das hebräische "schemira" ("Bewachung"), wie wir es etwa in Psalm 121,4 finden: »Siehe, nicht schlummert noch schläft der Hüter Israels.« Über das Jiddische - wie in "schmiro" ("Aufpasser") - gelangte das Lexem in die Gaunersprache, in der es laut Kluge seit 1714 auftaucht: »Ihr stehet wohl auf der Schmehre, denn also hätten sie die Wache geheißen.«

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/18670
Vgl. Christoph Gutknecht "Schmiere ist kein Fett: Wie ein Wort aus den hebräischen Psalmen in die deutsche Gaunersprache kam", in: Jüdische Allgemeine, 69. Jg., Nr. 12 (20.3.2014), S. 17.

Wort des Monats April 2014
schickern
schicker
beschickert
angeschickert

Das regional und in Sondersprachen (zum Beispiel der Münsterschen Masematte) geläufige Adjektiv "schicker" ("betrunken") beruht auf dem bedeutungsgleichen hebräischen "schikkor" und ist wie das Verb "schickern" ("Alkohol trinken") direkt aus dem Westjiddischen in deutsche Dialekte gelangt. Dem Quatschkopf hielt man entgegen: »Ich glaab’, du bist schicker!«, über den Sonderling hieß es: »Das ganze Johr schicker un am Purim nüchtern.«

Sedlaczeks Wörterbuch des Wienerischen (2011) kennt neben dem Adjektiv sogar noch das Substantiv ("Schicker" = "Säufer"), aber deutsche Lexika führen meist nur die Formen "beschickert" und "angeschickert" ("beschwipst") auf.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/18558
Vgl. Christoph Gutknecht: "Schickern, bis man molum ist: Wie ein westjiddischer Begriff für den Alkoholgenuss ins Standardvokabular gelangte", in: Jüdische Allgemeine, 69. Jg./Nr.10 (6.3.2014), S. 17.

Wort des Monats März 2014
Kabale

Tatsächlich gibt es "Cabal", "Cabale" im Deutschen schon seit dem 16. Jahrhundert, entlehnt vom französischen Substantiv "cabale". Romanischer Herkunft ist das Wort aber nicht. Es geht in Form und Bedeutung tatsächlich auf die "Kabbala" zurück. Das hebräisch-rabbinische Wort "qabbalah" bezeichnet eine "Überlieferung, von den Älteren überkommene Geheimlehre". In diesem Sinn wurde der Begriff im Deutschen auch ursprünglich gebraucht.

In der Abhandlung "Sarepta oder Bergpostille" (1562) spricht der Reformator Johann Mathesius davon, dass Berthold Schwarz, der Erfinder des Schießpulvers, »nach der alten künsten Cabal (= Geheimlehre) den Saliter (= Salpeter) gern figirt (= verdickt) und dicht gemacht hatte«. Es vollzog sich allerdings beim französischen "cabale" ein Bedeutungswandel zu "heimlich abgesprochene Praktiken", "Intrige", der im 17. Jahrhundert für das deutsche "Kabale" übernommen wurde. Schuld an den negativen Konnotationen sind in diesem Fall mal nicht die Deutschen.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/17960
Vgl. Christoph Gutknecht: "Esoterik und Intrigen: Das Wort »Kabale« geht tatsächlich auf die Kabbala zurück - mit einem Umweg über Frankreich", in: Jüdische Allgemeine, 69. Jg., Nr. 1 (vom 2. Jan. 2014), S. 17.

Wort des Monats Februar 2014
Wissen, wo Barthel den Most holt

»Man wendet diese Redensart an«, belehrt uns schon 1867 Karl F. W. Wanders Deutsches Sprichwörter-Lexikon, »wenn man jemand als klug, gewandt und schlau bezeichnen will, als einen, der Mittel und Wege kennt, seinen Zweck zu erreichen.« Aber woher stammen sprachhistorisch "Barthel" und sein "Most"? Die Redewendung stammt aus der Gaunersprache und ist aus "Barsel" für "Brecheisen" und "Moos" aus hebräischem "maoth" und jiddischem "maos" für "Kleingeld", "Pfennige" bzw. "Geld" allgemein entlehnt und meinte eigentlich: "wissen, wo man sich mit dem Brecheisen Zugang zu fremdem Geld verschafft".

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/17694
Vgl. Christoph Gutknecht: »Wo der Barthel den Most mit dem Brecheisen holt. Die deutsche Redensart hat nichts mit jungem Wein zu tun, sondern mit geraubtem Geld«, in: Jüdische Allgemeine, 68. Jg., Nr. 48 v. 28. November 2013, S.17.

Wort des Monats Januar 2014
Schmock
shmok
smok

Weil man das jiddische "shmok" (für den selbstgerechten Trottel) in den USA "shmuck" schreibt, haben manche Etymologen es mit dem deutschen "Schmuck" im Sinne von "männlichen Kronjuwelen" in Verbindung gebracht. Zu Unrecht. Tatsächlich, so der Jiddist David L. Gold 2002 im Eurasian Studies Yearbook, stammt das vulgäre ostjiddische "shmok" aus dem Altpolnischen. Dort ist "smok" die "Ringelnatter". Ein "Schmock", wer Böses dabei denkt.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/17135
Vgl. Christoph Gutknecht: »Journalisten und andere Schmocks: Eines der populärsten jiddischen Schimpfwörter verdanken wir den Polen« , in: Jüdische Allgemeine, 68. Jg., Nr. 40 (4. Okt. 2013), S. 17.

Wort des Monats Dezember 2013
für lau

Das Adjektiv "lau", das die Bedeutung "unentgeltlich", "(für) umsonst", "gratis" hat, leitet sich her vom jiddischen "lo", "lau" ("nichts", "nicht", "nein", "ohne"), das seinerseits auf das hebräische Wort "lo" ("nein", "nicht", "nichts", "ohne") zurückgeht.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/17390/
Vgl. Christoph Gutknecht: "Alles für lau: Vom hebräischen Nein zur deutschen Kostenfreiheit", in: Jüdische Allgemeine, 68. Jg., Nr. 43/13 v. 24. Oktober 2012, S. 17.

Wort des Monats November 2013
Kiebitz
kiebitzen

Wer uns beim Schach-, Skat-, Tarock-, Billard- oder Pokerspiel über die Schulter sieht und ungebetene Ratschläge gibt, ist ein "Kiebitz". Bei A. J. Storfer (Im Dickicht der Sprache, 1937) liest man, dass sich der "Kiebitz", wie der Wiener Ausdruck "Kiberer" für Polizisten, von den seit dem 19. Jahrhundert üblichen Rotwelsch-Formen "Kiewisch" beziehungsweise "kiewischen" / "kibitschen" herleitet.

Diese könnten dem jiddischen "koiwesch sein" für "bezwingen" / "bedrücken" angelehnt sein; sie standen für "obrigkeitliche Prüfung", "ärztliche Untersuchung von Prostituierten" und die "gegenseitige Visitation der Gauner", damit niemand einen Beuteanteil unterschlug.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/16841
Vgl. Christoph Gutknecht: »Falscher Vogel: Der Kiebitz beim Kartenspiel stammt nicht aus der Tierwelt, sondern aus dem Jiddischen«, in: Jüdische Allgemeine v. 22.8.2013.

Wort des Monats Oktober 2013
Kohl reden
verkohlen

Über wirres Zeug, das jemand redet, heißt es oft: »Das ist doch alles Kohl!« Dieser Kohl ist für Duden-Online »umgangssprachlich abwertend«, für Kluge-Seebolds Etymologisches Wörterbuch von 2002 wie das Verb "verkohlen" (für "veralbern") sogar »vulgär«.

Die Herkunft des "Kohls" ist umstritten. Mit Gemüse jedenfalls hat er nichts zu tun. Wolfgang Pfeifer vertritt im Etymologischen Lexikon des Deutschen (1993), die Gleichsetzung sei im 18. Jahrhundert aus dem jiddischen "chaulem"/"cholem" für "unnützes, wertloses, sinnloses Zeug" (nach dem hebräischen "halom" für "Traum") entstanden.

Die Analogie von "lügen" und "Kohle" könnte aber auch durch Brauchtum gestützt sein, etwa die Feier des Niederfalls, also des Ernteendes, während der man Leute zum Nachbarn schickte, um fiktive Werkzeuge zu holen. Die eingeweihten Nachbarn gaben dem Boten einen Sack mit Steinen o.ä. und beschmierten ihm so, dass er es nicht merkte, das Gesicht mit Kohlenstaub.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/16991
Vgl. Christoph Gutknecht: "Red' keinen Kohl. Wie aus dem hebräischen Traum der deutsche Unsinn wurde", in: Jüdische Allgemeine vom 12.09.2013.

Wort des Monats September 2013
Heiermann

Die aus dem Rotwelschen stammende Benennung "Heiermann" ist weit verbreitet für das frühere Fünf-DM-Stück beziehungsweise heute den Fünf-Euro-Schein.

»Ausgangspunkt«, so Georg Schuppener in einem Beitrag über Geldbezeichnungen im Rotwelschen 2002, »sind die hebräischen Buchstabenzahlen, die auch im Rotwelschen weite Verbreitung fanden. Aus "hej", "fünf", wird durch Komposition mit "-mann" eine Personifikation, vielleicht angelehnt an "Fünfer", vollzogen, um so den Begriff volksetymologisch irgendwie zu motivieren.«

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/16721
Vgl. Christoph Gutknecht:"Mäuse, Moos und Möpse: Wie aus der hebräischen Münze das jiddische Wort für Geld wurde", in: Jüdische Allgemeine, 68. Jg., Nr. 32 (v. 8. August 2013), S. 17.

Wort des Monats August 2013
Rochus

Die früher verbreitete Wendung "einen Rochus (auf etwas oder auf jemanden) haben" wird noch heute regional im westmitteldeutschen Raum gebraucht und bedeutet: "sich über etwas ärgern", "eine Wut auf jemanden haben".

Ins Hochdeutsche gelangte "Rochus" über das Rotwelsche, in dem es seit Ende des 19. Jahrhunderts vorkam. Im Münsterschen Unterschichtsdialekt, der Masematte, hieß es: "Er hat hamel rochus auf seine alsche" ("er hat eine große Wut auf seine Frau"), das Manische, ein Randgruppendialekt in Mittelhessen, formulierte: "Hui, was had er ’n rogus!" ("Hui, was ist er zornig!")

Beide Wörter basieren auf dem Jiddischen. Dort findet man auch die Varianten "roches", "rauches", "rauges" oder "roges" für "Ärger" oder "Zorn".

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/16429/highlight/Rochus
Vgl. Christoph Gutknecht: "Rochus und broches: Wie man auf Jiddisch anderen böse ist", in: Jüdische Allgemeine, 68. Jg., Nr. 28 (v. 11. Juli 2013), S. 17.

Wort des Monats Juli 2013
Knast

Die Etymologie für "Knast" referiert Klepschs "Westjiddisches Wörterbuch" (2004): »Das lateinische Wort "census" ("Steuerschätzung", "Volkszählung") wird nach der Expansion des Römischen Reichs in den östlichen Mittelmeerraum ins Griechische als "kénsos" entlehnt, danach, über dessen Vermittlung, auch ins Hebräische "qenas" ("Geldstrafe").«

Das Jiddische übernahm zunächst das Substantiv. Als "Knass legen" wurde dies dann aber, so Klepsch, »in einer spezifischen Bedeutung verwendet: Bei einer Verlobung wird eine Konventionalstrafe für das Nichtzustandekommen der Ehe ausgehandelt. Zur Bekräftigung der Gültigkeit des Vertrags wird ein Teller zerbrochen. "Knass legen" bedeutet nun entweder Verlobung oder speziell das Zerbrechen des Tellers anlässlich derselben.«

Im Rotwelschen wurde "Knass", das zunächst "Geldbuße" bedeutete, erst auf alle Strafen, dann auf die "Gefängnisstrafe" und das "Haftgebäude" übertragen.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/16251
Vgl. Christoph Gutknecht: "Ab in den Knast: Von der jiddischen Verlobung zur deutschen Strafvollzugsanstalt", in: Jüdische Allgemeine, 68. Jg., Nr. 25 (v. 20.6.2013), S.17.

Wort des Monats Juni 2013
betucht

Es gibt Nomina, deren Lautähnlichkeit mit dem Deutschen uns fehlleiten kann: "betucht" kommt nicht von "Tuch", sondern vom jiddischen "betûach" ("wohlhabend", wörtlich: "sicher").

Vgl. Christoph Gutknecht: "Máme-Loschen als Schmélzsprach - Eine kleine Geschichte des Jiddischen", in: Der Sonntag (5401 Baden/Schweiz), Heft 21/2013 (23.05.2013), S. 14-17.

(E1)(L1) http://www.etymologie.info/_inhpdf/14-17_21_SDP_Jiddisch.pdf

«Máme-Loschen» als «Schmélzsprach»

Eine kleine Geschichte des Jiddischen

Das Jiddische teilt zumindest in einem Punkt ein trauriges Los mit dem Schweizerdeutschen: Es wird von Aussenstehenden oft für einen Dialekt gehalten und mit liebevoller, ja sentimentaler Herablassung betrachtet. Dabei ist es eine eigenständige Sprache, die sogar grosse Literatur hervorgebracht hat: eine Sprache gleichsam ohne Land, Spiegel der jüdischen Diaspora.

von Christoph Gutknecht
...


Wort des Monats Mai 2013
Goi
Goje
Goite
Schabbesgoi

Abraham Tendlau erläutert 1860 in seiner Sammlung Jüdische Sprichwörter und Redensarten den Ausdruck "Goi" - in der femininen Form "Goje" oder "Goite": "Goi", biblisch: "der Fremde", "der Nichtjude"; später auch "der nicht streng religiöse Jude".

Von einem Juden, der die Religionsgesetze verletzt, wird gesagt: »Er ist ein großer Goi«, also ein Ungläubiger, auch »Goi gomer« ("vollkommener Heide"). Ein »jofener Goi« dagegen ist ein freundlicher, nicht antisemitischer Christ. Der "Schabbesgoi" war traditionell der Nichtjude, der am Schabbat verbotene Arbeiten für Juden erledigte.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/15979/highlight/Gutknecht
Vgl. Christoph Gutknecht: »Von Schabbes- und Gewittergojim: Wenn Juden von Nichtjuden reden, ist das nicht abwertend gemeint«, in: Jüdische Allgemeine Nr. 21/13 (v. 23. Mai 2013), S. 17.

Wort des Monats April 2013
Tacheles

"Tacheles reden" steht für Klartext reden, in dem Sinne, den auch der Duden umschreibt: "unverhüllt, ohne falsche Rücksichtnahme seine Meinung sagen".

Im Jiddischen benutzte man das vom hebräischen Wort "tachlît" ("Vollendung", "Äußerstes") abgeleitete "tachlis", wenn man auf den Zweck oder eine zweckmäßige Handlung abhob. So etwa in Sprüchen wie "Da länger sitzen ist kein Tachlis" oder "Wer kein Tachlis hat, der drischt leeres Stroh".

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/15658
Vgl. Christoph Gutknecht: »Reden wir Tacheles: Von der hebräischen Vollendung zum deutschen Klartext«, in: Jüdische Allgemeine v. 11. April 2013.

Wort des Monats März 2013
Dalles

Im Deutschen gibt es zwei Wörter, die "Dalles" lauten: eines - für "zerbrochen" (Die Tasse hat den Dalles) - stand als "Talles" schon in Sebastian Francks Weltbuch (1534) und geht laut Kluge-Seebolds Etymologischem Wörterbuch (2002) auf das hebräische Wort "tallit" ("Gebetsschal") zurück.

Ein gleichnamiges (für "Geldnot"), seit dem 18. Jahrhundert aus dem westjiddischen "dales" ("Armut") entlehnt, stammt vom mittelhebräischen "dalluth" ab. Aus Frankfurt gelangte das Wort über Regionalvarietäten ins Standarddeutsche, dann ins Rotwelsche; ab 1900 meinte es auch "Übelkeit" oder "Erkältung".

Man hört "Dalles" heute nur noch in wenigen (meist regionalen) Wendungen.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/15250/highlight/Dalles
Vgl. Christoph Gutknecht: "Alles im Dalles. Von der hebräischen Armut zu leeren deutschen Portemonnaies", in: Jüdische Allgemeine, 68. Jg., Nr. 8 v. 21. Februar 2013, S. 17.

Wort des Monats Februar 2013
Biskuit
Zwieback

Wenn deutsche Hausfrauen "Biskuit" backen, meinen sie damit ein "feines Gebäck aus Mehl, Zucker und Eierschaum". Seiner Herkunft nach ist das Wort italienisch ("biscotto"), es heißt soviel wie "zweimal gebacken" (im Lateinischen "bis coctum"), entspricht sprachlich also unserem "Zwieback", der noch im 15. Jahrhundert "Zweiback" hieß. Apropos "Zwieback": "Zurück zum Zwieback. Es gibt nichts Besseres" - so lautete im Jahre 1986 eine Werbung für Brandt-Zwieback im „Journal für die Frau“ (Nr. 10/28. April) in Anlehnung an den Jean-Jacques Rousseau zugeschriebenen Ausspruch "Zurück zur Natur" ("Retour à la nature!"), der sich in dieser Formulierung übrigens in keinem seiner Werke findet.

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats Januar 2013
Tinnef

Im Aramäischen und Hebräischen stand "tinnûf" für "Kot" oder "Schmutz". Auch dem jiddischen Wort "tineph", "tinneph" schrieb Friedrich C. Avé-Lallemant 1858 in seiner Untersuchung über das deutsche Gaunertum die Bedeutungen "Kot", "Dreck", "Unflat" zu und ergänzte, "tinef sein" hieße: "verloren sein", "überführt sein", "verurteilt sein". Siegmund A. Wolf führte 1956 in seinem Wörterbuch des Rotwelschen für "Tinnef" neben dem skatologischen Bereich noch die Bedeutung auf, die man heute vor allem kennt: "Schund". Etwa ab 1930 wurde "Tinnef" auch mit "Unwahrheit" gleichgesetzt, wie Heinz Küpper im Wörterbuch der Umgangssprache (1990) deftig erklärt: »Lügen wird mit Verunreinigung durch Kot gleichgesetzt: vgl. bescheißen.«

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/14836
Vgl. Christoph Gutknecht: "Billiger Tinnef: Wie aus hebräischem Kot deutscher Schund wurde", in: Jüdische Allgemeine, 68. Jg., Nr. 1 (3. Januar 2013), S. 17.

Wort des Monats Dezember 2012
piekfein

"Piek" gilt - wie andere emotional gefärbte Präfixoide (z.B. "stinksauer", "felsenfest" usw.) - als Ausdrucksverstärkung. Bei "piekfein" handelt es sich um eine Übernahme des im Niederdeutschen entstandenen eigentlich tautologischen Kompositums "pükfein", dessen "ü" im Hochdeutschen entrundet wird.

Das Grundwort "fein" wird hier durch das hinzutretende niederdeutsche Bestimmungswort "pük" (entsprechend niederländischem "puik") ergänzt, das "rein", "sauber", "echt", "ehrenhaft", "redlich" bedeutet.

Vgl. Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 2. Aufl. München 2002: Verlag C. H. Beck.

Wort des Monats November 2012
baldowern
ausbaldowern

Das Verb "baldowern", beziehungsweise "ausbaldowern" verzeichnet der Duden seit 1902. Als Bedeutungen werden "auskundschaften", "mit Geschick ausfindig machen", "planen", "sich ausdenken" und "ausklügeln" angegeben.

Ursprünglich ist "baldowern" oder "ausbaldowern" nahöstlicher Herkunft. Das jiddische "bal-dówer" stammt vom hebräischen "ba’al-dawár" ab, übersetzt "Herr des Wortes", womit "der betreffende, in Rede stehende Mensch" gemeint war, in chassidischen Kreisen oft auch euphemistisch der "Jezer hara", der böse Trieb. In der Tora findet sich das Wort in Exodus 24,14 in der Bedeutung "Prozessgegner".

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/14263
Vgl. Christoph Gutknecht: »Geschickt ausbaldowert«, in: Jüdische Allgemeine, 67. Jg. Nr. 43 (25.10.2012), S. 17.

Wort des Monats Oktober 2012
Eizes
Ezzes

Als Variante des nur im Plural gebrauchten (auf der Erstsilbe mit Lang- oder Kurzvokal betonten) Substantivs "Ezzes" führt der Duden "Eizes" für "Ratschläge" auf. Das Wort wurde über das Rotwelsche aus dem westjiddischen "eize", "eizes" entlehnt, das auf das hebräische "eza", "ezah", "ezot" ("Rat") zurückgeht.

In Deutschland ist das Wort inzwischen aus dem Sprachgebrauch weitgehend verschwunden. Bei unseren österreichischen Nachbarn dagegen leben die Ezzes munter fort. H. D. Pohl zählte 1999 in einem Artikel zum österreichischen Deutsch "Ezzes" zu den »binnendeutschen Ausdrücken, die über Wien in Österreich eingebürgert worden sind«. Das Variantenwörterbuch des Deutschen (2004), spricht von einem »saloppen Grenzfall des Standards«.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/14057
Vgl. Christoph Gutknecht: »Eizes geben. Gut gemeinte Ratschläge auf Jiddisch.« In: Jüdische Allgemeine, 67.Jg., Nr.39-40, S. 17.

Wort des Monats September 2012
mies
Miesmacher
Miesepeter
Miesling

Unser Adjektiv leitet sich her vom jiddischen Wort "mies", das seinerseits dem aramäischen "me’iss" ("widerlich") und dem biblisch-hebräischen "ma’ass" ("verachten") beziehungsweise "miuss" ("Ekel") entstammt. Gängige Vokabeln wie "Miesmacher", "Miesepeter" und "Miesling" sind Übertragungen des jiddischen "Miesnik" mit slawisch geprägtem Suffix.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/13642/highlight/Gutknecht
Vgl. Christoph Gutknecht: »Ganz schön mies: Ein hässliches Wort mit hebräischen Wurzeln«, in: Jüdische Allgemeine Zeitung, 67. Jg., Nr. 31, v. 2. August 2012, S. 17.

Wort des Monats August 2012
Sauregurkenzeit

Unser Wort hat ursprünglich nichts mit "Gurken" zu tun. Die "Zores- und Jokresszeit" bezeichnete im Jiddischen die "Periode der Leiden und der Teuerung". Die Begriffe leiten sich vom hebräischen "zará"/"zarót" ("Not", "Bedrängnis", "Sorgen") und "jakrút" ("Preisanstieg", "Teuerung") ab, jiddisch "zóre" und "jóker" ("teuer"). Dass aus Leiden, Not und Teuerung am Ende saure Gurken wurden, ist ein klassischer Fall von Volksetymologie, jenes Sprachwandels, bei dem ein unbekanntes Fremdwort nach dem Vorbild eines vertraut klingenden Wortes in die Nehmersprache eingegliedert wird.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/13388
Vgl. Christoph Gutknecht: "Weder Gurken noch sauer: Wie aus missverstandenem Jiddisch die nachrichtenarme Sommerzeit wurde", in: Jüdische Allgemeine Zeitung, 67. Jg., Nr. 27, v. 5.7.2012, S. 17.

Wort des Monats Juli 2012
Machenschaften

Das Wort hatte in der Schweiz bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts eine durchaus positive Bedeutung im Sinne von »Kontrakt, Vereinbarung, Vergleich«. Erst wesentlich später wandelte sich die Wortbedeutung in die negative Richtung - hin zu dunklen Praktiken und heimlich-böswilligem Tun. Für die Überführung des Begriffs »Machenschaft« ins Schriftdeutsch haben neben dem Dichter Gottfried Keller zwei weitere für die Schweiz bedeutende Persönlichkeiten gesorgt: Johann Caspar Lavater und der 1886 in Zürich verstorbene Kulturhistoriker und Schriftsteller Johannes Scherr.

(E?)(L?) http://schweizer-monat.ch/artikel/machenschaften
Vgl. Christoph Gutknecht: »Machenschaften«, in: Schweizer Monat Nr. 7/Juli 2012.

Wort des Monats Juni 2012
Stuss

Es gibt einen Ausdruck, den wir Dummschwätzern gern entgegenschleudern: »Red doch keinen Stuss!« Er entstammt dem westjiddischen "schtus" (hergeleitet aus hebräischem "šetût" für "Irrsinn", "Narrheit") und taucht zu Beginn des 18. Jahrhunderts zunächst in westlich-niederdeutschen, mitteldeutschen und rheinfränkischen Mundarten auf. Ein Eintrag im ten Doornkaat-Koolmann‘schen "Wörterbuch zum ostfriesischen Niederdeutsch" (1884) verrät, dass "Stuss" dort sogar für einen "stupiden, ungehobelten Menschen" stand. Im Sinne von "Unsinn" ist der Ausdruck über rotwelsche und studentische Sprecher, teils sogar schriftsprachlich vermittelt, in andere Regionalvarietäten gelangt.

Heute ist "Stuss" längst in die Standardsprache eingegangen. Jugendsprachliche Internetblogs belegen auch den kreativen Gebrauch beim Verb (»Wenn Lehrer stussen«) und Adjektiv: »Bisse bestusst oder wat?«

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/13225/highlight/Red'&keinen&Stuss
Aus: »Red' keinen Stuss! Dummes Geschwätz vom alten Hebräisch bis zur heutigen Jugendsprache«, in: Jüdische Allgemeine, 67. Jg., Nr. 24, v. 14. Juni 2012, S. 17.

Wort des Monats Mai 2012
acheln

Bis heute steht das über das Rotwelsche in die Umgangssprache gelangte Lexem "acheln" vor allem im Berlinischen, Hessischen, Moselfränkischen, Pfälzischen, Rheinischen und in Wien für "tüchtig essen" und/oder "mit Behagen essen". Es leitet sich vom jiddischen "achilen" her, das wiederum auf das hebräische Verb "a’chal" ("essen") und das Deverbativ "achi’lah" ("Mahlzeit") zurückgeht. Aus dieser Wortwurzel entstanden auch jiddische Begriffe der "Achler" ("Fresser") und der "Achelpeter" ("Vielfraß"), der bei Auricher, Eichstätter und Engadiner Juden auftauchte. Bei letzteren heißt es etwa: »Emene Achelpejter sinn aach zwei Stick Kuche nit zu vill.« Im Rotwelschen ist der "Achelpeter" ein "Armenhäusler", dem es an "Achelkies" ("Verpflegungsgeld") für das "Acheliniken" ("Essen") und die "Achelsore" ("Esswaren") fehlt.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/12937/highlight/acheln
Vgl. Christoph Gutknecht: "Wenn der Vielfraß achelt: Wie das hebräische 'Mahlzeit' das Umgangsdeutsche bereichert hat." In: Jüdische Allgemeine v. 10.5.2012, S. 17.

Wort des Monats April 2012
Pustekuchen!

Der saloppe Ausruf "Pustekuchen!" signalisiert - wie "von wegen" oder "denkste" -, dass jemand mit einer Aussage falsch liegt oder etwas nicht bekommen wird.

Dieser Kuchen ist jedoch kein Backwerk. "Ja, Kuchen!" für "Das ist Unsinn" oder "Ich bin anderer Meinung" war Umgangsdeutsch bis zur Maingrenze bei Frankfurt das Kürzel des jiddischen Spruchs "Ja chochem" (= "klug", aus dem hebräischen "chacham"), aber nicht "lamdon" (= "talmudkundig") - im Rotwelsch gedeutet als: "ja schlau, aber nicht schlau genug". Der Volksmund machte daraus "Ja Kuchen, aber nicht London".

Und woher kommt die vorgesetzte "Puste"? Günter Puchner beendete 1976 in "Kundenschall: Das Gekasper der Kirschenpflücker im Winter" alle volksetymologischen Gebäck-Spekulationen und führte "Pustekuchen" korrekt zurück auf das rotwelsche Kompositum der jiddischen Wörter "poschut" (= "gering", abgeleitet vom hebräischen "pochet" = "weniger") und "kochem".

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/12593/highlight/Gutknecht
Vgl. Christoph Gutknecht: „Backware? Pustekuchen! Wie ein missverstandener hebräischer Begriff zum deutschen Ausdruck wurde.“ In: Jüdische Allgemeine 67. Jg. /Nr. 12, S. 17.

Wort des Monats März 2012
Schmonzes
Schmonzette
Schmontius

Als »Schmonzetten« bezeichnet man wenig geistreiche, rührselig-alberne literarische oder filmische Machwerke oder auch gehaltlose Zeitungsbeiträge.

Das Wort mit der französischen Endung ist von »Schmonzes« abgeleitet, einer möglichen mundartlichen Sonderform des jiddischen Wortes »Schmus« (Geschwätz), das auf das hebräische »schemuot« (Gerüchte) zurückgeht. In Österreich ist auch die latinisierte Variante bezeugt: »Der ganze Schmontius ist mir zuwider!« Schmonzes steht für Herumgerede, dumme Vorwände oder Unsinn.
...

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/12235/highlight/Schmonzes&mit&Lakritze
Vgl. Christoph Gutknecht: "Schmonzes mit Lakritze: Seichtes Geschwätz? Sag es auf Jiddisch", in: Jüdische Allgemeine Zeitung, 67. Jg., Nr. 5, S. 17.

Wort des Monats Februar 2012
eine Meise haben

Sagt man von jemandem, dass er/sie »eine Meise hat«, so schwingt das Bild des Vogels mit, der sich im Kopf des Betroffenen eingenistet hat. Die im Volksglauben verankerte Formulierung »einen Vogel haben« und die Geste des Vogelzeigens stützen den Metaphergebrauch.

Etymologisch allerdings hat der Begriff mit gefiederten Kreaturen nichts zu tun. Hans Peter Althaus schreibt in seinem Buch "Chuzpe, Schmus und Tacheles" (2004), dass in hessischen Dörfern, in denen Juden und Christen oft eng beieinander lebten, Ausdrücke wie »Mase machen« (Aufhebens machen) und »Maserchen verzähle« (Schnurren erzählen) geläufig waren.

Sie enthalten mit dem jiddischen »maase/maise« ein Wort, das ursprünglich für eine Erzählung stand, bei Juden aber semantisch zu unnützem Gerede und Getue erweitert wurde. Die Übertragung der Dialektformen ins Hochdeutsche als »Meise machen« und »Meiserchen verzählen« führte dann zu der Redewendung »eine Meise haben«.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/12015
Vgl. Christoph Gutknecht: "Macke, Meise und Meschugge: Wenn's am deutschen Verstand hapert, helfen jiddische Begriffe.", in: Jüdische Allgemeine Zeitung, 67. Jg., Nr. 2 v. 12.01.2012, S. 18.

Wort des Monats Januar 2012
Betriebsnudel

Spöttische Bezeichnungen für andere sind in den Gesprächen vieler Menschen ein höchst wichtiges Element, gewissermaßen das Salz in der Suppe der Kommunikation. Heinz Küpper stellt in seinem „Wörterbuch der deutschen Umgangssprache" (1990) zum Vergleich zwischen Nudel und Mensch lapidar fest: „Analog zu den verschiedenen Nudelformen und -arten paßt die Bezeichnung auf den schmächtigen, auf den breitschultrigen sowie auf den drallen Menschen usw.“ Anschließend offeriert er, jeweils mit dem ermittelten Entstehungsjahr, neben dem: "drallen Mädchen" (1800 ff.) weitere 15 Varianten, die "besondere Nudel" = "Sonderling" (1900 ff.); "dicke Nudel" = "beleibter Mensch" (spätestens seit 1800); "doofe Nudel" = "dümmlicher Mensch" (1900 ff.); "freche Nudel" = "frecher Mensch" (1900 ff.); "kesse Nudel" = "lebenslustiges, umgängliches, unternehmungslustiges Mädchen" (1920 ff.); "komische Nudel" = "seltsamer Mensch" (1870 ff.); "lustige Nudel" = "lebensfroher Mensch" (1920 ff.); "putzige Nudel" = "drolliger Mensch" (1870 ff.); "schlappe Nudel" = "energieloser Mensch" (1950 ff.); "tolle Nudel" = "lustiger Mensch", "Spaßmacher", "großartiger Unterhalter" (1900 ff.); "überdrehte Nudel" = "überspannte Frau" (1920 ff.); "ulkige Nudel" = "lustiger Mensch", "Spaßmacher", "wunderlicher Mensch" (1920 ff.); "verrückte Nudel" = "Sonderling", "lustiger Unterhalter" (1920 ff.); "versoffene Nudel" = "Trinker(in)" (1910 ff.); "wamperte Nudel" = (bayr.) "beleibte, vierschrötige weibliche Person" (1900 ff.); "weiche Nudel" = "energieloser, nachgiebiger Mensch" (1925 ff.).“ Es versteht sich, daß Küpper auch die "Betriebsnudel" nicht unerwähnt läßt, jenen "Stimmungsmacher bei Geselligkeiten" bzw. "die lustige, stets zu Scherzen aufgelegte Betriebsangehörige".

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats Dezember 2011
Guten Rutsch!

Den "guten Rutsch" auf das jiddische "Rosch-ha-Schanah" ("Anfang des Jahres") zurückzuführen, lässt sich - wie Walter Röll und Simon Neuberg in den »Jiddistik-Mitteilungen« (2002) ausführlich dargelegt haben - aus phonologischen und historischen Gründen nicht halten. Beachtenswert ist allerdings der Hinweis im Grimmschen Wörterbuch, dass "Rutsch" »in derber Übertragung für Reise« stehen kann. Da es im Deutschen durchaus üblich ist, über Zeitbeziehungen und -abläufe mit räumlichen Begriffen zu sprechen, ist nicht auszuschließen, schlussfolgert deshalb Anatol Stefanowitsch im Bremer Sprachblog (2008), »dass eine Redewendung, die eigentlich gute Reise bedeutet, auf einen glücklichen Wechsel in ein neues Kalenderjahr angewendet wird.«.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/11909
Vgl. Christoph Gutknecht: "Rutsch, Rosch und Rausch: Hat der deutsche Neujahrsglückwunsch wirklich hebräische Wurzeln?", in: Jüdische Allgemeine Zeitung, 66. Jg., Nr. 51-52 v. 22.12.2011, S. 17.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/27368

Sprachgeschichte(n)

Rutsch, Rosch und Rausch

Hat der deutsche Neujahrsglückwunsch wirklich hebräische Wurzeln?

30.12.2016 - von Christoph Gutknecht

Am 31. Dezember wünscht man sich in den deutschsprachigen Ländern zum Neuen Jahr einen »Guten Rutsch«.

Entstanden dürfte die Redewendung um 1900 sein. Hans Weigel schrieb in seinen Leiden der jungen Wörter (1974): »Schiller hat Goethe keinen guten Rutsch gewünscht, Liszt hat Wagner keinen guten Rutsch gewünscht, auch in den Briefen Rilkes an seine Freifrauen, Gräfinnen und Fürstinnen fehlt jede Andeutung des glückhaften Rutschens in die neuen Jahre.«

Warum dann ein Rutsch-Wunsch zum Jahreswechsel? Siegmund A. Wolf meint im Wörterbuch des Rotwelschen (1956), »das sonst sinnlose guten Rutsch!« sei ein entstelltes Rosch Haschana. Auch Andreas Nachama schreibt in seinem Jiddisch im Berliner Jargon (1994), es sei »der gute Rutsch wohl eher als der gute Rosch des Jahres, der Neujahrsanfang, zu verstehen«. Ähnliches liest man in Heidi Sterns Wörterbuch zum jiddischen Lehnwortschatz (2000), Leo Rostens Jiddisch-Enzyklopädie (2002), Alfred Klepschs Westjiddischem Wörterbuch (2004), Bertelsmanns Wörterbuch der deutschen Sprache (2004) und Petr Šubrts Arbeit zum Wiener Dialekt (2010).

Doch Zweifel sind angebracht. Das in Deutschland gebräuchliche Westjiddische kannte das jüdische Neujahrsfest im Gegensatz zum hochsprachlichen sefardischen »Rosch Haschana« als »Rausch haschono/haschone« oder als »Rauschaschone/Rauschscheschone«. Werner Weinberg zitiert im Lexikon zum religiösen Wortschatz und Brauchtum der deutschen Juden (1994) den Stoßseufzer: »Ich muss noch meine ganze rausch-ha-schono-Post erledigen.« Einen »Guten Rausch« wünscht man sich zum Neuen Jahr aber nicht - obwohl es wunderschön passen würde.

Gegen die »Rosch-Rutsch«-Etymologie spricht auch, dass "Rosch Haschana", im Gegensatz zu vielen anderen jüdischen Begriffen, nicht in die deutsche Alltagssprache eingegangen ist. »Ich gratulier’ der zer Rescheschone« war allein in Frankfurt am Main zu hören. Ansonsten war das Wort bei der nichtjüdischen deutschen Bevölkerung nur passiv bekannt, wie Hans Peter Althaus in Chuzpe, Schmus und Tacheles (2004) betont.

Auch Walter Röll und Simon Neuberg bestreiten in den »Jiddistik-Mitteilungen« 2002 den Zusammenhang von »Rosch« und »Rutsch« aus phonologischen und historischen Gründen. Sie verweisen unter anderem auf Neujahrskarten aus dem Kaiserreich, auf denen das Rutschen auf Skiern metaphorisch für das Hinübergleiten ins Neue Jahr steht.

Gegen solche Überlegungen hatte Hans Weigel einst in einer rigorosen semantischen Verbanalyse eingewandt, das Rutschen bezeichne einen gleitenden Übergang, doch der Jahreswechsel vollziehe sich übergangslos: »Die Gesinnung des Wünschenden angesichts des Jahreswechsels ist ja nicht derart, dass nur ein guter Übertritt gewünscht wird, dass die Wirksamkeit des Wunsches schon nach wenigen Sekunden erschöpft ist. Man wünscht ein komplettes gutes Jahr über den Beginn hinaus.« Der Rutsch-Wunsch sei abwegig, »die teuflische Ausgeburt extremer gedankenloser Sprachbarbarei!«.

Dabei übersah Weigel allerdings den Hinweis im Grimmschen Wörterbuch, dass Rutsch »in derber Übertragung für Reise« stehen kann. Auch Hermann Frischbier nennt in seinen Preußischen Sprichwörtern und sprichwörtlichen Redensarten (1865) als »scherzhaften Wunsch zur Reise« die Formel »Glöckliche Rutsch ön e Paar Parêsken (Bastschuhe) op e Weg«.

Da es im Deutschen durchaus üblich ist, über Zeitbeziehungen und -abläufe mit räumlichen Begriffen zu sprechen, ist nicht auszuschließen, schlussfolgert deshalb Anatol Stefanowitsch im Bremer Sprachblog (2008), »dass eine Redewendung, die eigentlich gute Reise bedeutet, auf einen glücklichen Wechsel in ein neues Kalenderjahr angewendet wird«.

Seien Sie bitte nicht allzu enttäuscht. Bei der Fülle deutscher Wörter jüdischer Herkunft kann man den Verlust des »Guten Rutschs« verschmerzen. Ich wünsche Ihnen deshalb schlicht ein gutes neues Jahr.


Wort des Monats November 2011
Zivilcourage

Georg Dehio (1850-1932) betont in der »Geschichte der deutschen Kunst« (1926): »Im Soldatenrock, leider oft in fremdem, fand man noch tapfere Deutsche, aber die "Zivil-courage", um dies Bismarcksche Wort zu brauchen war (im 18. Jahrhundert) abhanden gekommen.«

Den Hinweis erläutert der Diplomat Robert von Keudell 1901 in seinen »Erinnerungen aus den Jahren 1846 bis 1872«. Danach klagte Bismarck 1864 über zähe Beratungen einer Gesetzesvorlage: »Mut auf dem Schlachtfelde ist bei uns Gemeingut; aber Sie werden nicht selten finden, dass es ganz achtbaren Leuten an Civilcourage fehlt.« Damit war das Wort geboren, das seither im Sinne Georg Büchmanns Flügel trägt.

Wort des Monats Oktober 2011
Geseire

Dieses Wort ist nicht mit der deutschen Vorsilbe "Ge-" gebildet. Es wurde aus dem Jiddischen entlehnt. Dort meint das auf das Hebräische zurückgehende "gesera" wörtlich "Bestimmung", "Verordnung", "schlimme Verfügung", besonders eine obrigkeitliche, die Unglück für Juden verhieß. Werner Weinberg nennt in "Die Reste des Jüdischdeutschen" (1973) dafür zwei Beispiele: Eine "schöne geseire" steht für eine "unangenehme Geschichte oder Situation". "Die geseire wächst" heißt: "Der Zustand wird immer schlimmer". Das Beweinen dieser Verhängnisse führte zur Bedeutung "klagendes Gejammer" "Getue", "Aufhebens", die über das Rotwelsche in die deutsche Umgangssprache eindrang.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/11598
Vgl. Christoph Gutknecht: "Geseire, Gedibber, Geschmus: Redensarten über die Art zu reden", in: Jüdische Allgemeine vom 10.11.2011.

Wort des Monats September 2011
Kassiber
Xiberl
Gsiberl

Frappant ist die Wortkarriere des aus dem hebräischen "ketiva(h)" ("Geschriebenes") hergeleiteten jiddischen "kessaw" ("Schrift"): als "kassiwe" erhielt es die rotwelsche Bedeutung "Brief", "Ausweis", "amtliches Papier", aber auch "verbotener Gefangenenbrief an Komplizen". Solche Kontaktversuche nennt die Gaunersprache "kassibern".

Die heimlichen Kassiber sind in der fachlichen Umgangssprache des Vollzugswesens geläufig, im Wienerischen kennt man sie als "Xiberl" oder "Gsiberl".

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/11136
Aus: Christoph Gutknecht, "Sprachgeschichten: Polente, Knast, Kassiber - Hebräisch in der Unterwelt", in: Jüdische Allgemeine v. 1. September 2011, S. 17.

Wort des Monats August 2011
Schibboleth

"Schibboleth" ist ein hebräisches Wort. Im Tanach dient das Lexem im "Sefer Shoftim" (Buch der Richter 12,5-6) bei der Überlieferung des Krieges gegen die Efraimiter als militärisches Codewort. 42000 efraimitische Flüchtlinge wurden an den Jordan-Furten niedergemacht, weil sie "Schibboleth", das "Ähre", aber auch - wie in diesem Kontext - "Gewässer" bedeutet, fälschlich als "Sibboleth" aussprachen. (Genau genommen schrieben die Gileaditer "sch-b-l-t", sprachen es aber - wie im englischen think - mit stimmlosem dentalen Reibelaut, den die Efraimiter durch den s-Laut ersetzten.)

Heute wird "Schibboleth" häufig im Sinne von Unterscheidungsmerkmal verwendet. Robert Sedlaczek schreibt in der »Wiener Zeitung« über die Mundart seiner Metropole, dass Schibboleths oft zu Zungenbrechern ausarten, obwohl man die Genres strikt unterscheiden sollte. »Aber oft«, so räumt er ein, »geht das gar nicht: Er hat’s B’steck z’spät b’stöt - soll heißen: Er hat das Besteck zu spät bestellt. Das ist wohl beides, ein Schibboleth und ein Zungenbrecher.«

(E?)(L?) http://www.languageonthemove.com/recent-posts/pronunciation-a-matter-of-life-and-death
Vgl. Christoph Gutknecht: »Codewort Schibboleth - Wenn falsche Betonung das Leben kostet.« In: Jüdische Allgemeine v. 7.7.2011, S. 17. Engl. Fassung: »Pronunciation: A Matter of Life and Death«:

Wort des Monats Juli 2011
Schofel

Das ursprünglich aus dem hebräischen "šafal" ("wertlos") stammende, vom Rotwelschen aus dem westjiddischen "schophol" ("lumpig") entlehnte und über die Studenten- in die Umgangssprache eingedrungene Adjektiv "schofel" (mit seinen Varianten "schofelig" und "schoflig") ist bis heute gebräuchlich. Das Leipziger »Wortschatz-Portal« nennt als Synonyme "abscheulich", "garstig", "geizig", "hundsgemein", "infam", "miserabel" sowie "ruchlos", und zitiert als Beleg den Berliner Tagesspiegel: »So steht schofel hier wie dort für schäbig oder niederträchtig.«

Das Substantiv "Schofel" definiert der Duden (Deutsches Universalwörterbuch) als »etwas (besonders eine Ware), die als schlecht, schäbig angesehen wird, nichts taugt«, - kurz, als "Schund". "Schofele sechore" nannte man im Jiddischen minderwertige Ware. Noch eine zweite Definition findet man im Duden. Ein "Schofel" ist eine »männliche Person, die als niederträchtig angesehen wird«, sprich, ein "Schuft". Gustav Gründgens zum Beispiel, der mit den Nazis kollaborierende geniale, aber opportunistische Schauspieler. Über ihn schrieb der Theaterkritiker Friedrich Luft: »Er war der anrüchige Monokelträger. Er wurde genutzt als der Schofel, der dahinschwelende Schurkentyp ...«

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/
Aus: "Schlechte Ware, miese Typen: die deutsche Karriere eines jiddischen Worts", in: Jüdische Allgemeine (Ausg. 23) v. 9.6.2011, S. 17.

Wort des Monats Juni 2011
sauer sein
auf etwas sauer reagieren

Das Wort "sauer" taucht, auf Menschen bezogen, in der Bedeutung "mürrisch", "ärgerlich" zuerst im Jahre 1696 schriftlich auf: ein saur gesichte; danach bedeutet die umgangssprachliche Wendung "sauer sein" schlicht "übelgelaunt sein". Möglicherweise hat die Wendung "auf etwas sauer reagieren" einen schülersprachlichen Ausgangspunkt, der sich aus dem allbekannten chemischen Versuch mit dem Lackmuspapier herleitet.

(Aus: Christoph Gutknecht: Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit. Die verrücktesten Wörter im Deutschen. Verlag C. H. Beck, München 2008.)

Wort des Monats Mai 2011
Petersilie verhagelt

Mit der bekannten Redensart "es hat mir meine Petersilie verhagelt" wird ausdrückt, dass "etwas fast Unmögliches zumindest aber völlig Unerwartetes geschehen ist". Nicht jeder wird wissen, dass die Aussage einen realen Hintergrund hat, denn die robusten Blätter der Petersilie überstehen einen Hagelschlag im Garten auch dann noch unbeschädigt, wenn andere Blätter längst zerstört sind. Beachten sollte man freilich, dass Petersilie nie dahin gesät wird, wo sie im Vorjahr stand, und dass Standorte anderer Doldengewächse (wie Möhren, Sellerie oder Dill) gemieden werden. Zu bevorzugen sind als Vorkulturen Porree oder Zwiebeln.

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats April 2011
gang und gäbe

Das Wort althdt. "gengi" bedeutete soviel wie "gangbar", das mittelhochdeutsche Wort "genge" bedeutete "gewöhnlich". Wir kennen heute das Adjektiv nur in der (schon mittelhochdeutsch) festen Verbindung "gang und gäbe" (schweizerisch "gäng und gäbe") im Sinne von "gebräuchlich und annehmbar"; es wurde zunächst von Münzen gebraucht in der Bedeutung "Kurs habend", dann generell im Sinne von "üblich".

(Aus: Christph Gutknecht: Lauter spitze Zungen. Geflügelte Worte und ihre Geschichte. 3. Aufl., München 2001,Verlag C. H. Beck)

Wort des Monats März 2011
Aderlass

In der Sprache hat die Metapher vom Aderlass schon lange negative Konnotationen. Wer andere schröpft, sie bluten oder zur Ader lässt, raubt sie aus. So wird die Alltagswendung schon seit 1900 benutzt. Adern sind nur dann neutral bis positiv besetzt, wenn Goldadern oder Neigungen gemeint sind. Man spricht z.B. von der poetischen oder der humoristischen Ader eines Menschen.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/


(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/9877
Vgl. Christoph Gutknecht: »Aderlass im Adar. Blut ist ein besonderer Saft - auch als Metapher.« In: Jüdische Allgemeine, 66/ 10 v. 10. Februar 2011, S. 17.

Wort des Monats Februar 2011
kess

Der Große Duden 1934 wies dem Adjektiv "kess" zwei Bedeutungen zu - "dreist" und "schneidig-frech" - und klassifizierte das Wort als "berlinisch-volkstümlich". Tatsächlich aber ist der Begriff jüdischen Ursprungs. Im Rotwelschen, dem alten Idiom der Gauner, Dirnen und Vagabunden, das seine Sprecher "Chessenloschen" nannten, ist "kess", "chess" seit 1807 belegt, als Codewort für klug: "Chess" ist der jiddische Name für die hebräische Letter "Chet", den Anfangsbuchstaben des Ausdrucks "chochem", der einen "weisen, schlauen Menschen" bezeichnet.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/


(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/9706
Vgl. Christoph Gutknecht: »Ganz schön kess: Wie aus einer hebräischen Letter ein deutsches Adjektiv wurde.« In: Jüdische Allgemeine, 66/ 7 v. 17. Februar 2011, S. 17.

Wort des Monats Januar 2011
Treppenwitz
Treppenverstand
Treppen-Glück

Das Wort "Treppenwitz" ist etwa seit den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts belegt und als scherzhaft-ironische Bezeichnung der Nachgedanken zu deuten, die einem erst auf der Treppe, also zu spät einfallen. So schrieb der Dramatiker, Erzähler und Journalist Karl Ferdinand Gutzkow (1811-1878) im zweiten Band seines dreibändigen Werkes «Lebensbilder» (1870:66): «Auf den Treppen der Berliner Universität lernte ich zum erstenmal Treppenwitz kennen.»

Analog bildete man um 1880 das Wort "Treppenverstand" - Friedrich Nietzsche hatte 1879 in seinem Werk «Menschliches, Allzumenschliches II» sogar vom "Treppen-Glück" gesprochen.

Heute begegnet uns das Wort "Treppenwitz" zumeist, aber keineswegs ausschließlich, in historischen Bezügen. Zuweilen wird es, weil sich manche Journalisten des Wortursprungs offenbar nicht bewußt sind, lapidar im Sinne eines kräftigen Witzes verwendet.

(Aus: Christoph Gutknecht: Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit. Die verrücktesten Wörter im Deutschen. Verlag C. H. Beck, München 2008.)

Wort des Monats Dezember 2010
Haberer
Hawarer
Hawerer
Hawara
Habi
Hawi
Chawer
Chewra Kadischa
Haberei
Haberertum
Verhaberung
verhabert

Der "Haberer", der auch "Hawerer" oder "Hawara" heißt, ist in Österreich ein "Busenfreund", "Spezi", "Zechbruder", "Kumpel". In zweiter Linie steht er, speziell in der Wiener Mundart, für "Liebhaber der Frau", seltener für "Freier" oder "Zuhälter". Die Koseform lautet "Habschi", in Vorarlberg "Habi" oder "Hawi". Sprachlich geht der "Haberer" auf das hebräisch-jiddische "cháwer" / "cháwerte" (im Plural "cháwejrim") zurück. "Chawer" selbst hat seine Wurzeln im hebräischen "chawruta", in dem das hebräisch-aramäische Wort "chewra" ("Gesellschaft") steckt, das man aus der "Chewra Kadischa", der "Beerdigungsbruderschaft" kennt.

(Christoph Gutknecht: „Mein Freund, der Haberer. Sprachgeschichte(n): Wie ein hebräischer Begriff in Österreich politische Karriere gemacht hat.“ In: Jüdische Allgemeine Nr. 47/10 v. 25.11.2010, S. 17.)

Ergänzung:

Als "Haberertum" bezeichnet man in Österreich, was in Deutschland "Vitamin B", "Seilschaften", "Vetternwirtschaft" oder, im Rheinland, als "Klüngel" bezeichnet wird.

(E1)(L1) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/9144


Wort des Monats November 2010
Grafischer Roman
Graphic novel

Der Begriff "Grafischer Roman" (engl. "graphic novel") kennzeichnet einen dem Comic ähnlichen Erzähl- und Zeichenstil. Der Begriff stammt von Will Eisner. Er wählte für seine 1978 edierte Comic Sammlung „A Contract with God“ (dt. 2010 als „Ein Vertrag mit Gott“ erschienen) den Terminus "graphic novel", um sie von gängigen Comic Books abzusetzen. Anders als diese wöchentliche Wegwerfware sind Graphic Novels umfangreiche gebundene Bücher von niveauvollem Inhalt mit komplexer Erzählstruktur.

(Christoph Gutknecht: „Bilder aus dem Versteck. Anne Frank: Das Schicksal der Tagebuchautorin als Comic“, in: Jüdische Allgemeine
(Spezial: Jüdische Literatur) Nr. 40/10 v. 7.10.2010, S. 27.)

Wort des Monats Oktober 2010
Kondom

Der „Duden“ und ebenso modernste britische und amerikanische Lexika sind sich einig: Die Herkunft des Wortes "Kondom" ist nach wie vor ungeklärt, ist also offenbar ein "Conundrum" - "a paradoxical, insoluble, or difficult problem; a dilemma".

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats September 2010
Hosenkatarrh
Hosngha‘dda
Readlgschwäa
Rohrgeschwür
Laufa

Für venerische Krankheiten nennt Ignaz von Sonnleithner in seinem anonym verfaßten Werk „Mundart der Österreicher oder Kern ächt österreichischer Phrasen und Redensarten“ (Wien 1811, nachgedruckt 1996) den Kollektivbegriff "Hosngha‘dda" ("Hosenkatarrh"), für den "Tripper" führt er die Bezeichnung "Readlgschwäa" ("Rohrgeschwür") an, während Eduard Maria Schranka in seinem „Wiener Dialektlexikon“ für diese Erkrankung den Ausdruck "Laufa"(zu deutsch "laufen" = "rinnen") aufführt.

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats August 2010
Altbier

Man könnte meinen, "Altbier" sei altes, also schales, abgestandenes Bier. Doch das ist blühender Unsinn. Es handelt sich bei diesem dunkelbernsteinfarbenen, hopfenbetonten blanken Bier um eine Sorte, die nach der traditionellen, obergärigen, eben der „alten“ Art, gebraut wird. Sie ermöglichte es, auch vor der Erfindung der Kältemaschine Bier an warmen Tagen zu brauen, da obergärige Hefe bei 15 bis 20° C vergärt. Mit durchschnittlich 11,5 % Stammwürzegehalt und ca. 4,8% Alkoholgehalt zählt "das Alt", wie es auch genannt wird, zu den klassischen Vollbieren.

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats Juli 2010
fidel
Krambambuli

Unser Wort "fidel" leitet sich aus dem lateinischen "fidelis" her, das "treu" bedeutet. Die semantische Entwicklung von "treu" zu "vergnügt" vollzog sich in der Studentensprache des 18. Jahrhunderts - wahrscheinlich unter dem Einfluss des sogenannten "Krambambuli-Liedes" von Wedekind aus dem Jahre 1745: "Krambambuli", eine lautspielerische Umgestaltung von "Krammet" und älterem "kranewit" (das eigentlich "Kranichholz" bedeutet), bezeichnete ursprünglich den Danziger Wacholderschnaps und wurde später in der Studentensprache auch auf andere alkoholische Getränke übertragen, besonders auf solche aus Rum, Arrak und Zucker. Nach dem Genuss solch harter Getränke sangen die Studenten mit Begeisterung jenes Lied, das ab 1747 auf 102 Strophen ausgedehnt wurde, an deren Ende jeweils das Wort "Krambambuli" stand.

(Aus: Christph Gutknecht: Lauter spitze Zungen. Geflügelte Worte und ihre Geschichte. 3. Aufl., München 2001,Verlag C. H. Beck)

Wort des Monats Juni 2010
Crash

Das aus dem Englischen übernommene Wort "Crash" ist uns im Deutschen aus vielen Kontexten, nicht zuletzt dem der Börse, geläufig.

Erwähnenswert ist, dass Schallnachahmungen, die in der Sprache sehr häufig verwendet werden, in den Comics ihre Funktion als Charakterisierung des entstehenden Geräusches verlieren und allein den Vorgang bezeichnen. "Crash" beispielsweise dient nur als Kommentar, dass etwas zusammenfällt, wird aber für so verschiedene Situationen wie zerbrechendes Glas, Autozusammenstoß, Erdbeben und den Zusammenprall zweier lebender Wesen gebraucht.

(Christoph Gutknecht: „Einige Bemerkungen zu funktionalen Aspekten von expressive words im Englischen unter Einbeziehung der comics"
in: Werner Welte (Hrsg.): Sprachtheorie und angewandte Linguistik, Tübingen 1982, S. 253-262.)

Wort des Monats Mai 2010
Rasse

Ursprünglich war das Wort "Rasse" wertfrei. Es ist arabischen Ursprungs und geht auf "ra’s" = "Kopf", "Oberhaupt" zurück - das hebräische Schwesterwort ist "rosch", wie in "Rosch-Haschanah" = "Neujahr. Aus "ra’s" wurde im 13. Jahrhundert spanisch "raza", portugiesisch "raca", italienisch "razza", französisch und später englisch "race", die semantisch das Feld von "Adel" und "Qualität" abdeckten. Im 16. und 17. Jahrhundert gelangte das Wort mit der allgemeinen Bedeutung "Art", "Gattung", "Geschlecht", "Stamm", meist in der französischen Form, nach Deutschland.

(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/


(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/7296
(Aus: Christoph Gutknecht: "Verfasster Rassismus", in: Jüdische Allgemeine Nr. 17/10 v. 29. April 2010, S. 17)
Verfasster Rassismus
Warum das Grundgesetz begrifflich überarbeitet werden muss
29.04.2010 - von Christoph Gutknecht

Wort des Monats April 2010
Du bist ja total Manoli!

Für besonderes Aufsehen sorgte vor über einhundert Jahren in Berlin die Werbung für die Zigarettenmarke "Manoli", die nach der Ehefrau des Zigarettenfabrikanten Mandelbaum - "ILONA M." (rückwärts gelesen und gesprochen) - benannt worden war.

Das für damalige Verhältnisse spektakuläre sogenannte "Manoli-Rad" war seit 1898 auf dem Dach eines Gebäudes auf dem Alexanderplatz installiert. Kurz hintereinander geschaltete Glühbirnen erzeugten den Eindruck einer Kreisbewegung, bevor in der Mitte einer dunklen Kugel die Worte "Raucht Manoli" den Sinn des Ganzen erhellten und selbst in der Ferne noch vom „verdrehten“ Zuschauer wahrgenommen werden konnten.

Das Wort "Manoli" war dadurch in aller Munde und wurde (und wird gelegentlich noch heute) umgangssprachlich durch eine typisch berlinische Bedeutungsübertragung als Synonym für "verrückt" benutzt: "Du bist ja total manoli!"

(Aus: Christoph Gutknecht: Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit. Die verrücktesten Wörter im Deutschen. Verlag C. H. Beck, München 2008.)

Wort des Monats März 2010
Pleite (W3)

Das Wort "Pleite" ist abgeleitet aus dem westjiddischen "pleto" für "Flucht" - der Flucht vor drohender Haft des Schuldners. "Pleto melochnen", "Pleite machen", hieß: "sich auf die Flucht begeben". Die „Masematte“, die „dritte Sprache“ Münsters, kennt "pleite gehen" für "weggehen": "nichts wie pleite" - "nichts wie weg!". "Pleite" für "überschuldet" wurde auch im Frankfurterischen erst im 20. Jahrhundert zu gängiger Sprachmünze.

(Christoph Gutknecht: „Pleite und andere Geier. Sprachgeschichten: Mit der Krise hat ein jiddisches Wort wieder Konjunktur“, in: Jüdische Allgemeine Nr. 25/2009, S. 17)


(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/


(E?)(L?) http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/953/highlight/Gutknecht


Erstellt: 2010-02

Wort des Monats Februar 2010
Pfui (W3)

Interjektionen zum Ausdruck des Missfallens haben Entsprechungen in etlichen Sprachen, ohne dass Entlehnung vorliegen muss: lateinisches "fu", französisches "fi", jiddisches "fe", englisches "fie" usw. Das Mittelhochdeutsche um 1200 kennt "phiu" und "phi", doch erst das 1482 im Frühneuhochdeutschen belegte "pfuy" und unser heutiges "pfui" imitieren mit dem anlautenden Verschluss- und dem folgenden Reibelaut als Ruf des Abscheus deutlich das Geräusch des Ausspeiens. Das Gefühl wird durch Kombinationen wie "pfui Teufel!", "pfui Dübel!", "pfui Spinne!" oder "pfui Kuckuck!" verstärkt.

(Christoph Gutknecht: „Was heißt hier Pfui? Harte Worte: die ausdrucksvollen Laute der Mißbilligung - und andere Zwischenrufe.“ In: Max Joseph - Magazin der Bayerischen Staatsoper - Nr. 5/2010, S. 50-51.)

(E?)(L?) http://www.bayerische.staatsoper.de/514--~kosmosoper~takt.html


(E?)(L?) http://www.bayerische.staatsoper.de/861-bXNnX2lkPTExOTQw-~Staatsoper~bso_aktuell~aktuelles_detail.html


Erstellt: 2010-02

Wort des Monats Januar 2010
jemandem geht der Arsch auf Grundeis

Die als derb bis vulgär empfundene Redensart ist jüngeren Datums. Sie entstammt einem Gedicht des deutschen Dichters Joseph Victor von Scheffel (1826-1886), in dem dieser schildert, wie er vom schweizerischen Seon aus die nicht ungefährliche Moränenlandschaft zwischen Aare und Reuß durchstreift, wobei ihm der Arsch - Verzeihung! die Basis - mit Grundeis geht, wie es ursprünglich heißt. Grundeis ist die untere Eisschicht oberhalb des Bodens.

(Aus: Christoph Gutknecht: Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit. Die verrücktesten Wörter im Deutschen. Verlag C. H. Beck, München 2008.)

Wort des Monats Dezember 2009
Purzelbaum

Zunächst war er als "burzelbaum" bezeugt - unser heutiger "Purzelbaum", unter dem wir einen "Überschlag auf dem Boden" verstehen. Genau genommen bedeutet das Wort "Sturz und Aufbäumen", denn unser "purzeln" hat sich aus spätmhdt. "burzeln" ("hinfallen niederstürzen") entwickelt, während der zweite Wortbestandteil - "baum" - auch im Wort "(auf)bäumen" ("sich aufrichten") steckt, das seinerseits wohl ursprünglich als Jägerwort vom Bären gesagt wurde, der sich "am Baum aufrichtet".

(Aus: Christoph Gutknecht, Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 4. Aufl. München 2009: Verlag C.H. Beck. S. 139)

Wort des Monats November 2009
Wischiwaschi

Das Wort bedeutet soviel wie: "Geschwätz", "wertloses Machwerk". Es ist zusammengewachsen aus "Wisch" ("Schriftstück") und "waschen" ("schwätzen"). Zugleich wird in der Literatur verwiesen auf englisches "wish-wash" bzw. "wishy-washy".

In der Tat kann das lautmalende "Wischiwaschi" seine angelsächsische Herkunft nicht verleugnen; auch dort gibt es den Ausdruck "wishy-washy" mit der Bedeutung "labberig", "wässerig", "lasch". Es dient auch zur Beschreibung eines dünnen Getränks, einer charakterlich schwachen Person oder einer schwachen Leistung.

(Aus: Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl. München 2008, Verlag C.H. Beck.)

Ergänzende Links:

(E3)(L1) https://www.redensarten-index.de/register/w.php


(E1)(L1) http://www.wortwarte.de/

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Wort des Monats Oktober 2009
Namensetymologie
Shields

Mit der wissenschaftlichen Erforschung von Namen beschäftigt sich die Onomastik. Sie untergliedert sich in die Theoretische Namenforschung (die sich auf die Frage kapriziert: Was ist ein Name?) und die Namenkunde, die Geschichte, Gebrauch und Etymologie der Namen erforscht.

In den Bereich der Etymologie fallen auch die Änderungen von Namen. Ein lustiges Beispiel für die Änderung von Familiennamen bietet David Shields in seinem jüngsten Werk "Das Dumme am Leben ist, dass man eines Tages tot ist":

Als ich meinen Vater fragte, warum er seinen Namen ("Shildcrout") geändert habe, erklärte er, sein Sergeant im Zweiten Weltkrieg „hatte Schwierigkeiten, bei den täglich gedruckten Feldlager-Berichten Wörter mit mehr als zwei Silben zu lesen; es fiel ihm auch schwer, korrekt auszusprechen, was er als ,die gotterbärmlichen New Yorker Namen’ bezeichnete. Er sagte in seinem sehr zähen und langsamen Südstaaten-Akzent: ,Ihr Name, Corporal, ist so verdammt lang, daß er, wenn wir nach Japan gehen und Sie von der Kugel eines Tojos erwischt werden, nicht mal auf einen Grabstein passen würde. Sie sollten ihn so kürzen, daß ein erwachsener Mann wie ich ihn aussprechen kann. Von jetzt an werde ich Sie "Shieldsy" nennen.’ Einige Wochen später kürzte Sergeant Hill ihn zu "Shields". Und Shields blieb er für die 36 Monate, während der ich an die 164. Quartiermeister-Kompanie abgestellt wurde. Ich gewöhnte mich an Shields, und als ich aus dem Krieg zurückkam, ließ ich die Änderung eintragen.“

Literatur:

David Shields: Das Dumme am Leben ist, dass man eines Tages tot ist. Eine Art Anleitung zum Glücklichsein. Aus dem amerikanischen Englisch von Christoph Gutknecht. München 2009: Verlag C.H. Beck.

Literatur:
David Shields: Das Dumme am Leben ist, dass man eines Tages tot ist.
Eine Art Anleitung zum Glücklichsein.
Aus dem amerikanischen Englisch von Christoph Gutknecht.
München 2009: Verlag C.H. Beck.

(Aus: Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl. München 2008, Verlag C.H. Beck.)

Wort des Monats September 2009
Volksetymologie

Unter Volksetymologie versteht man die Erscheinung, dass ungeläufige oder unverstandene Wörter oder Wortteile (aus fremden Sprachen oder der eigenen Sprache) lautlich und inhaltlich bekannten Wörtern angeglichen werden, um sie dem Sprecher/Schreiber verständlich zu machen. So wurde z. B. das "muwerf" ("Erdhaufen-Aufwerfer") zu "Maulwurf" umgeformt, das Wort althdt. "sintfluot" (dt. "grosse Flut") wurde später häufig fälschlich als "Sündflut" gedeutet, "Landsknecht" wurde vielfach auf "Lanze" bezogen, gehört aber zu "Land". Wichtig ist es, dabei zu erkennen, dass es sich bei der Volksetymologie prototypischerweise nicht um ein Phänomen des Bedeutungswandels, sondern des Bezeichnungswandels handelt. Ein amüsantes Beispiel liefert auch der amerikanische Schriftsteller David Shields, dessen Vater ursprünglich "Schildkraut" hieß, in seinem jüngst erschienenen Werk: "Schildkraut" hat zwei deutsche Wortbestandteile: "Schild" im Sinne von "Schutzschild" entspricht dem englischen "shield"; die Herkunft des nur im Deutschen und Niederländischen bezeugten Wortes "Kraut" ist unklar - neben "Blattwerk" kann es auch "Kohl" bedeuten. Wir sind also die "Schutzherren und Verteidiger des Kohls".

Literatur:
David Shields: Das Dumme am Leben ist, dass man eines Tages tot ist.
Eine Art Anleitung zum Glücklichsein.
Aus dem amerikanischen Englisch von Christoph Gutknecht.
München 2009: Verlag C.H. Beck.

(Aus: Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl. München 2008, Verlag C.H. Beck.)

Wort des Monats August 2009
Euphemismus

Der Euphemismus ist eine rhetorische Figur, ein beschönigender Ersatz für ein tabuisiertes Wort. Sogenannte Periphrasen, umschreibende Ausdrücke, begegnen uns beispielsweise häufig für Verstorbene, für den Tod und die Bestattung.

Nicht nur Furcht und Grauen vor dem Tod, sondern auch Respekt und Rücksichtnahme zählen zu den Motiven, die uns zu beschönigenden Wendungen, zu Euphemismen, greifen lassen: "die Augen für immer schließen", "das Zeitliche segnen", usw. Viele Euphemismen fußen auf biblischen Stellen: statt sterben heißt es im 1. Buch Mose 3, Vers 19: "zu Staub werden"; vom Sterbenden heißt es bei Matthäus 26, Vers 18: "seine Stunde ist nahe". Viele Schriftsteller, so auch der Amerikaner David Shields in seinem jüngsten Werk („Das Dumme am Leben ist, daß man eines Tages tot ist“), mildern vermeintlichen Tabubrüche durch pointierten Witz.

So beschreibt Shields, wie ein katholischer Priester, ein evangelischer Pastor und ein Rabbi erörtern, was sie nach ihrem Tode gern über sich von Trauergästen hören möchten, wenn ihre Leichname bei der Beerdigung im Sarg aufgebahrt dalägen:

Der Priester meint: „Ich möchte gern, daß jemand sagt: ,Er war rechtschaffen, ehrlich und großmütig.’“

Der Pastor meint: „Ich möchte gern, daß jemand sagt: ,Er war gütig und redlich und liebevoll zu den Mitgliedern seiner Gemeinde.’“

Der Rabbi meint: „Ich möchte gern, daß jemand sagt: ,Schau mal, er hat sich bewegt.’“

Literatur:
David Shields: Das Dumme am Leben ist, dass man eines Tages tot ist.
Eine Art Anleitung zum Glücklichsein.
Aus dem amerikanischen Englisch von Christoph Gutknecht.
München 2009: Verlag C.H. Beck.

(Aus: Christoph Gutknecht: Lauter böhmische Dörfer. Wie die Wörter zu ihrer Bedeutung kamen. München 2009: Verlag C.H. Beck)

Wort des Monats Juli 2009
Jemandem nicht das Wasser reichen können

Da man im Mittelalter nicht mit Bestecken, sondern mit den bloßen Fingern gegessen hat, wurde aus hygienischen Gründen, zumindest in feinen Häusern, vor und nach dem Essen eine Schale Wasser gereicht, um den Gästen das Waschen der Finger zu ermöglichen. In vielen Erzählungen über solche Essen, etwa bei Hofe, wird das sogenannte "wazzer nemen" erwähnt - aus Sicht der Hausherrn. Die Wendung charakterisiert also ursprünglich jene Menschen, die es nicht einmal wert waren, diese niedrige Tätigkeit des Wasserreichens auszuüben. Die übertragene Bedeutung wurde nicht zuletzt durch das Zitat in Goethes „Faust“ bekannt: „Aber ist eine im ganzen Land, / Die meiner trauten Gretel gleicht, / Die meiner Schwester das Wasser reicht?“

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats Juni 2009
Scham und Schande

Das altgermanische Substantiv - im Mittelhochdeutschen repräsentiert als "schame", "scheme", als althdt. "scama", im Englischen als "shame" - bedeutete ursprünglich "Beschämung", "Schande". Die Herkunft des Wortes, das auch dem Substantiv "Schande" zugrunde liegt, ist ungeklärt. Im Deutschen hatte "Scham" zusätzlich die Bedeutung "Schamgefühl": Goethe schreibt in den „Venetianischen Epigrammen“: „Nackend willst du nicht neben mir liegen, du süße Geliebte, / Schamhaft hältst du dich noch mir im Gewande verhüllt. / Sag‘ mir, begehr ich dein Kleid? Begehr ich den lieblichen Körper? / Nun, die Scham ist ein Kleid, zwischen Verliebten hinweg!“ Später wurde "Scham" auch verhüllend für "Geschlechtsteil" benutzt: Beim Sturm-und-Drang-Dichter Wilhelm Heinse (1746-1803) lesen wir in seinem Briefroman „Ardinghello und die glückseligen Inseln“ (1795/96): „Der Schatten an der Scham und die emporschwellenden Schenkel davor im Lichte sind äußerst wollüstig, so wie die jungen Brüste.“ Des Geschlechtlichen hat man/frau sich offenbar zu schämen: dafür sprechen der "Schamhügel" ("mons Veneris"), die "Schamlippen" ("labia vulvae"), das "Schamzünglein" ("Klitoris"). Gustave Flaubert urteilte in seinem Wörterbuch: „Parties: Sont honteuses pour les uns, naturelles pour les autres.“ („Geschlechtsteile: Für die einen die ,Schamteile‘, für die anderen ,das Natürlichste der Welt.‘“)

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats Mai 2009
Laune - launig - launisch

Die mittelalterliche Astrologie-Lehre ging davon aus, daß wechselnde Mondphasen die Stimmung des Menschen beeinflussen.

Dieser Glaube lebt u.a. weiter im italienischen Wort "luna", das "Mond" bedeutet, aber auch "schlechte Laune"; es lebt weiter im Französischen, wo les "lunes" die "Launen" sind und wo "comme la lune" soviel wie "dämlich", "doof" heißt. "Lunatic" bedeutet im Neuenglischen bekanntlich "verrückt"; "lunacy" im juristischen Sinne sogar "Unzurechnungsfähigkeit". Auch das mittelhochdeutsche "vorhtlunic" hieß übrigens "blödsinnig". Überhaupt decken die von Laune abgeleiteten Adjektive die ganze Spannbreite dieses Wortfelds ab.

Seit dem 18. Jahrhundert ist "launenhaft" belegt im Sinne von "wechselnden Stimmungen unterworfen"; "launig" hatte noch im 16. Jahrhundert die Bedeutung "verdrießlich", "verstimmt"; heute freuen wir uns über eine "launige Bemerkung", denn sie ist "heiter", "einfallsreich", "witzig". Ein "launischer Mensch" galt demgegenüber noch im 15. Jahrhundert als "von übler Stimmung" und "verdrossen"; seit dem 18. Jahrhundert sieht man in ihm eher einen Zeitgenossen, bei dem "rasch die Stimmung wechselt" oder der "rasch übler Stimmung nachgibt".

(Aus: Christoph Gutknecht: Lauter böhmische Dörfer. Wie die Wörter zu ihrer Bedeutung kamen. München 2009: Verlag C.H. Beck)

Wort des Monats April 2009
Geflügelte Worte
epea pteróenta

Die Bezeichnung "geflügelte Worte" entstammt den gegen Ende des 18. Jahrhunderts entstandenen berühmten Homer-Nachdichtungen des Verfassers bäuerlicher Idyllen Johann Heinrich Voß (1751-1826). Sie ist die deutsche Lehnübersetzung einer altgriechischen Wendung - "epea pteróenta" = "mit Flügeln versehene Wörter", die in Homers „Ilias“ und „Odyssee“ häufig vorkommt. Vor dieser Übersetzung hat allerdings schon Friedrich Gottlieb Klopstock in seinem in Hexametern abgefaßten biblischen Epos „Der Messias“ (1748/73) diesen Ausdruck verwendet, z. B. in Vers 222: „Geflügelte Worte sprach er zu ihnen, dann sandt’ er sie unter das weichende Volk aus.“ Und lange vor Klopstock hatte bereits der mittelhochdeutsche Dichter Heinrich von Meißen (ca. 1250 bis 1318) das Sprichwort als „flügges“ Wort bezeichnet, als ein Wort, dem Flügel gewachsen seien.

(Aus: Christph Gutknecht: Lauter spitze Zungen. Geflügelte Worte und ihre Geschichte. 3. Aufl., München 2001,Verlag C. H. Beck)

Wort des Monats März 2009
ein bißchen

Ursprünglich redete man nur von einem "Bißchen" im Sinne eines "kleinen Bissens", wo etwas Eßbares "abgebissen" wurde, z. B. von einem "bißchen Brotes", später von einem "bißchen Brot", einem "bißchen Fleisch" usw. Heute umgeht man das Substantiv "Bißchen" durch den Ausdruck "ein kleiner Bissen". Zum erstenmal belegt gegen Ende des 17. Jahrhunderts, wird der Ausdruck "ein bißchen" - wie es Christoph Ernst Steinbachs in Breslau 1734 erschienenes «Vollständiges Deutsches Wörter-Buch» verzeichnet - bis heute in der allgemeinen Bedeutung "ein wenig" auch in anderem Zusammenhang gebraucht, etwa bei Maßangaben für Getränke ("ein bißchen Milch", "ein bißchen Schnaps") und bei Dauerangaben von Tätigkeiten: "ein bißchen zuhören", "ein bißchen schlafen". Neuerdings hat man den Eindruck, daß alle Welt das Wort "bißchen" nicht nur ein bißchen, sondern nahezu völlig meidet und es durch "ein Stück (weit)" ersetzt: Bremens Grünen-Chefin Susann Mittrenga kündigte an, die Grünen würden nun versuchen, «ein Stück weit mit der SPD auf Augenhöhe zu verhandeln». (Focus Online 2007)

Wie sagte Karl Kraus (in seiner Sammlung «Aphorismen»)? «Ich beherrsche nur die Sprache der andern. Die meinige macht mit mir, was sie will.» Die Politikerin wird es sicher nie zur sprachlichen Meisterschaft eines Karl Kraus bringen - vor allem nicht zu seiner Selbstironie.

Meine uneingeschränkte Solidarität gilt dem Journalisten Axel Hacke, der diese sprachliche Unsitte am 20. Januar 2002 in der Zeitung «Der Tagesspiegel» aufs Korn genommen hat.

(Aus: Christoph Gutknecht: Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit. Die verrücktesten Wörter im Deutschen. Verlag C. H. Beck, München 2008.)

Wort des Monats Februar 2009
meinen - Freiheit, die ich meine

Ein gutes Beispiel für den Bedeutungswandel ist die Anfangsstrophe eines Liedes, das Max von Schenkendorf geschrieben hat, ein Freiheitskämpfer aus dem Jahre 1813, der damals die Massen durch seine vaterländisch-frommen Lieder zu begeistern wußte.

Freiheit, die ich meine, die mein Herz erfüllt,
Komm mit deinem Scheine, süßes Engelsbild!

So recht, das würde man heute meinen, ergibt der erste Vers in unserem Verständnis keinen Sinn. „Freiheit, die ich meine . . .“: Hier hat das Verb "meinen" nicht die heute üblichen Bedeutungsvarianten "eine bestimmte Ansicht haben", "annehmen" oder "denken".

Erst der Blick in ein etymologisches Wörterbuch verrät uns, daß z.B. das angelsächsische "maenan" ein breites Bedeutungsspektrum aufweist. Es reicht von "bedeuten" über "beabsichtigen" bis zu "erwähnen", "sprechen", "klagen" und "trauern".

Noch heute bedeutet ja im Neuenglischen "to mean" einerseits "beabsichtigen" - "I mean to do something." ("Ich beabsichtige, etwas zu tun.") - und andererseits "bedeuten": "Do you know what that means?" ("Wissen Sie, was das bedeutet?")

Das mittelhochdeutsche "meinen" bedeutete soviel wie "sinnen", "denken", "seine Gedanken auf etwas richten" - in feindlicher oder wohlwollender Weise. Interessant ist, daß sich später im Mittelhochdeutschen aus diesem Bedeutungsfeld nur ein Teilaspekt, nämlich das "Freundlich-gesinnt-Sein", zur Bedeutung "zugeneigt sein", "lieben" weiterentwickelt hat.

Und gerade diese Bedeutungsvariante wird in Prosatexten bis ins 17. Jahrhundert und in der gereimten Dichtung - wovon unser Beispiel zeugt - bis ins 19. Jahrhundert bewahrt und versinkt später wieder im Meer des Vergessens.

(Aus: Christoph Gutknecht: Lauter böhmische Dörfer. Wie die Wörter zu ihrer Bedeutung kamen. München 2009: Verlag C.H. Beck)

Wort des Monats Januar 2009
Prekariat

In den vergangenen Jahren ist der vom Adjektiv "prekär" ("schwierig", "mißlich", "bedenklich") hergeleitete und in Anlehnung an das Wort "Proletariat" gebildete Neologismus "Prekariat", der "ungeschützte Arbeitende und Arbeitslose" als eine neue soziale Gruppierung definiert, in der post-industriellen Soziologie populär geworden. Im Jahre 2006 wurde der Begriff von der „Gesellschaft für deutsche Sprache“ sogar auf Platz 5 der „Wörter des Jahres“ gewählt.

(Aus: Christoph Gutknecht: Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit. Die verrücktesten Wörter im Deutschen. Verlag C. H. Beck, München 2008.)

Wort des Monats Dezember 2008
Pomeranze, Landpomeranze, Pommern

Pomeranze, seit dem 15. Jahrhundert als Bezeichnung für die "bittere Apfelsinenart" bezeugt, ist, was die Wortbildung betrifft, eine sogenannte "verdeutlichende Zusammensetzung", entlehnt aus mittellateinischem bzw. altitalienischem "pomarancia". Dieses Wort setzt sich zusammen aus italienischem "pomo", "Apfel", (hergeleitet aus lateinischem "pomum", "Baumfrucht") und italienischem "arancia" (entstanden aus persischem "naring").

Für die sogenannte "Landpomeranze" hält der Sprachforscher Heinz Küpper gleich zwei Definitionen bereit:
1. die (seit 1820ff. so bezeichnete) "Frau mit ungewandtem Benehmen und ohne Kenntnis der Anstandsregeln";
2. ein "in die Stadt übergesiedeltes Mädchen vom Lande", wobei er hinzufügt: „Meint eigentlich das Mädchen mit pomeranzenroten Pausbacken. Vielleicht wortspielerisch beeinflußt von "Pommern" = "männliche Provinzler".“

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats November 2008
Appetit (kommt beim Essen)

François Rabelais (1494-1553), einer der großen Renaissanceschriftsteller, wurde mit seinem satirischen Roman „Gargantua et Pantagruel“ (5 Bücher; 1523/64) berühmt, einer Verspottung scholastischen Denkens und feudaler Lebensformen, denen er das Ideal des humanistischen, freien Menschen entgegensetzte. Etliche Wendungen seines Romans sind zu geflügelten Worten geworden. Im 1. Buch, Kap. 5 heißt es beispielsweise: "L’appétit vient en mangeant." - "Der Appetit kommt beim Essen" sowie: "La soif s’en va en buvant." - "Der Durst vergeht beim Trinken."

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats Oktober 2008
Mein Name ist Hase - ich weiß von nichts

Diese geläufige Redewendung hat einen äußerst kuriosen Ursprung:

Im Jahre 1854 war dem Jurastudenten Karl Victor von Hase, wie dessen Bruder Karl Alfred von Hase 1898 in „Unsere Hauschronik“ berichtet, folgendes widerfahren:

Ende des vorigen Semesters hatte er einem fremden Studenten einen Dienst erwiesen, der ihn selbst in eine mißliche Lage bringen konnte. Dieser hatte das Unglück gehabt, im Duell einen andern zu erschießen, war auf der Flucht nach Heidelberg gekommen, von wo er in Straßburg über die französische Grenze und dann bei der Fremdenlegion sich anwerben lassen wollte. Dazu aber brauchte er einen Paß oder sonst ein Legitimationspapier. Dieser Student wandte sich an Victor um Zuflucht und Hilfe. Nun war jeder Mißbrauch der Studenten-Legitimationskarte streng verboten; aber das ließ sich nicht verbieten, die Karte zu verlieren. Victor verlor sie, jener fand sie, kam glücklich über die Grenze und ließ dann die Karte wieder fallen. Sie wurde gefunden und als verdächtig dem Universitätsgericht übersandt. Zur Untersuchung gezogen äußerte sich der junge Jurist sofort: „Mein Name ist Hase, ich verneine die Generalfragen, ich weiß von nichts.“ Aus dieser Aussage, die damals in Heidelberg rasch bekannt wurde, und bald die Runde durch deutsche Universitäten machte, ist mit Weglassung des juristischen Charakters die bekannte unverständliche Redensart geworden: "Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts."

(Aus: Christoph Gutknecht: Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit. Die verrücktesten Wörter im Deutschen. Verlag C. H. Beck, München 2008.)

Wort des Monats September 2008
Geizhals

Beim Wort "Geizhals" handelt es sich hinsichtlich der Wortbildung um einen Spezialfall der Komposition. Bei diesem Possessivkompositum ist das Erstglied dem Zweitglied untergeordnet (hypotaktische Relation). Erstglied und Zweitglied zusammen bezeichnen die außersprachliche Realität nach einem spezifischen Merkmal. Man spricht daher auch von einem exozentrischen Kompositum. Vergleichbare Beispiele im Deutschen sind: "Bücherwurm", "Dickbauch", "Hasenfuß", "Heulsuse", "Hinkebein", "Jammerlappen", "Kaffeetante", "Langfinger", "Lästermaul", "Mauerblümchen", "Schreihals", "Zechbruder" usw.

(Aus: Christoph Gutknecht: Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit. Die verrücktesten Wörter im Deutschen. Verlag C. H. Beck, München 2008.)

Wort des Monats August 2008
Schmalhans ist Küchenmeister

Die umgangssprachliche Wendung, nach der bei jemandem "Schmalhans" Küchenmeister ist, hört man recht häufig. Sie besagt, daß es beim Betreffenden äußerst knapp zugeht, so wie bei Ludwig Bechstein in seinem Märchen "Die sieben Schwaben" (1845) oder bei Friedrich Spielhagen (1829-1911) in dessen Roman "Platt Land" (1878). In letzter Zeit wird diese Wendung häufig vom ernährungsspezifischen Bezug auf den wirtschaftlichen oder kulturpolitischen Bereich ausgeweitet.

(Aus: Christoph Gutknecht: Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit. Die verrücktesten Wörter im Deutschen. Verlag C. H. Beck, München 2008.)

Wort des Monats Juli 2008
Bonvivant oder Belami?

Synonym zu "Lebemann" gibt es seit langem die nach jeweiliger Textsorte und Zeitepoche verwendeten konkurrierenden Bezeichnungen "Bonvivant" und "Belami". „Die Zeit“ meldete 1984: „Dennoch wirkte es seltsam, daß der Boulevard-Journalist und Bonvivant mit 56 Jahren zum seriösen Sprecher einer christlich dominierten Regierung aufstieg.“ In „Die Welt Online“ las man vor kurzem: „Lafontaine, der als Politiker den Rückzug der Bundesrepublik aus der NATO forderte und im Wendejahr 1989 von ,nationaler Besoffenheit‘ sprach, galt als Bonvivant.“ Im Jahre 2000 berichtete die „Berliner Zeitung“: „Heinz Bennent (der alte Hugo) ist von allen der Verwundbarste: Ein ehemaliger Belami, der noch Reste stolzen Hochmuts zeigt, während er körperlich schon völlig hilflos ist.“

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats Juni 2008
Sauerampfer

Die Bezeichnung "Sauerampfer" ist ein geradezu klassisches Beispiel für eine tautologische Zusammensetzung, und zwar deshalb, weil das mittelhochdeutsche Wort "ampfer" schon die Bedeutungen "scharf", "bitter" und "sauer" hat. "Sauerampfer" heißt also - wörtlich genommen - "Sauersauer"!

(Aus: Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl. München 2008, Verlag C.H. Beck.)

Wort des Monats Mai 2008
Establishment

Das englische Wort "establishment" ist vor allem dem religiösen Bereich zuzuordnen, da es im Gefolge der Kirchenreform Heinrichs VIII. neben "established church" zur Charakterisierung der anglikanischen Staatskirche in Abgrenzung zu den "freien Kirchen" verwendet wurde. Erst in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelte sich "establishment" dann in England und den USA im gesellschaftlich-politischen Kontext zu einem populären Begriff, wobei er im britischen Englisch zunächst bestehende gesellschaftsprägende Körperschaften umfaßte.

Der aus dem Englischen ins Deutsche übernommene Begriff "Establishment" hat in vielen Kontexten abwertende Konnotationen, denn er wird gemeinhin definiert als "gesellschaftliche Oberschicht, die Politik, Wirtschaft, Kultur und andere Bereiche des öffentlichen Lebens beherrscht und dabei auf die Erhaltung der gegenwärtigen Ordnung mit ihren Macht- und Einflußstrukturen bedacht ist".

(Aus: Christoph Gutknecht: Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit. Die verrücktesten Wörter im Deutschen. Verlag C. H. Beck, München 2008.)

Wort des Monats April 2008
Journaille

Karl Kraus (1874-1936), einer der bedeutendsten österreichischen Schriftsteller des beginnenden 20. Jahrhunderts, ist als Satiriker, Lyriker, Aphoristiker, Sprach- und Kulturwächter bekannt geworden. Er gilt als unbestritten bedeutsamster Polemiker deutscher Sprache.und war ein tadelsüchtiger Kritiker der Presse, vor allem des Hetzjournalismus oder, wie er selbst es eben auszudrücken pflegte: der "Journaille".

Kraus war Herausgeber der satirischen Zeitschrift „Die Fackel“, in der uns der Ausdruck "Journaille" - eine provozierende Kontamination aus "jour(nalistische Ca)naille" - an 108 Stellen begegnet.

Dieser Beitrag enthält auch eine kleine Korrektur: Statt der im Buch versehentlich angegebenen 11 findet man 108 Belege für "Journaille" in der "Fackel" von Karl Kraus.

(Aus: Christoph Gutknecht: Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit. Die verrücktesten Wörter im Deutschen. Verlag C. H. Beck, München 2008.)

Wort des Monats März 2008
lästern

Früher galt das "Lästern" - es ist abgeleitet von "Las=ter" - als ein "höherer Grad der Ehrenschändung" als das "Verleumden". Der Begriff der Ehrenschändung wurde zur Gegenwart hin abgeschwächt zu "tratschen", ausgedrückt in der festen Wendung, die man gegenüber dem hinzukommenden Geschmähten mit den Worten ausdrückt: "Wir haben gerade über dich gelästert."

(Aus: Christoph Gutknecht: Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit. Die verrücktesten Wörter im Deutschen. Verlag C. H. Beck, München 2008.)

Wort des Monats Februar 2008
verhunzen

Eine "verhunzte" Sprache ist eine "verdorbene", "geschundene", eine "auf den Hund gekommene" Sprache; wer eine Arbeit "verhunzt" hat, dem ist sie "mißlungen". Das Wort ist relativ jung und wurde erst in neuhochdeutscherr Zeit von "Hund" abgeleitet. Es ist ähnlich gebildet wie "duzen" für "du sagen"; unser heutiges "verhunzen" entstammt der älteren Form "hunzen" mit der ursprünglichen Bedeutung "wie einen Hund ausschimpfen oder behandeln", "schinden", "plagen" und der späteren Bedeutung "verderben".

(Aus: Christoph Gutknecht: Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit. Die verrücktesten Wörter im Deutschen. Verlag C. H. Beck, München 2008.)

(E?)(L?) http://www.christoph-gutknecht.de/christoph_gutknecht/Podcasts/Podcasts.html


(E?)(L?) http://www.christoph-gutknecht.de/christoph_gutknecht/Podcasts/Eintrage/2010/5/3_lastern_und_verhunzen.html


Wort des Monats Januar 2008
verhohnepipeln
verhohnepiepeln

Das Wort ist aus thüringisch-obersächsischem "hohniepeln" oder "hohnepipeln", "hohnepiepeln", "verhohnepipeln", "verhohnepiepeln" ("foppen", "hänseln", "verspotten") herzuleiten. Diese Wörter sind wiederum unter volksetymologischer Anlehnung an "Hohn" aus den nicht mehr verstandenen frühneuhochdeutschen Bildungen "hohlhippeln" bzw. "hohlhippen" ("verschmähen", "lästern"; 16. Jahrhundert) hervorgegangen. Grundlage für diese Bildungen war der frühneuhochdeutsche Ausdruck "hole Hip" ("hohle Waffel"). Die Bezeichnung "Hohlhipper" für den "hausierenden Verkäufer von Hohlhippen" hat später - möglicherweise auf Grund wechselseitiger Verspottung von Verkäufer und Kunden - im 16. Jahrhundert die Bedeutung "Lästerer" angenommen; analog zum Substantiv hat in der Folge dann auch das Verb die entsprechende Bedeutung bekommen.

(Aus: Christoph Gutknecht: Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit. Die verrücktesten Wörter im Deutschen. Verlag C. H. Beck, München 2008.)

Wort des Monats Dezember 2007
auf den Busch klopfen

Die Bedeutung der Wendung ist wohlbekannt: "durch geschicktes Ausfragen zu ergründen suchen, ob eine Bitte gewährt oder abgeschlagen wird", "auf jemanden einwirken, damit er alles restlos sagt". Doch manch einem Großstädter dürfte kaum noch bekannt sein, daß das Bild der Jägersprache entnommen ist. Den Ursprung dieser Redensart findet man im jagdlichen Brauchtum: Der Treiber klopft auf Büsche und aufs Unterholz, damit das Wild aufgescheucht wird und dem Jäger vor die Flinte kommt.

(Aus: Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl. München 2003, Verlag C.H. Beck.)

Wort des Monats November 2007
Torte

Ein provenzalisches Sprichwort lautet: "Leidest du an Hungers Not, / Wird zu Torte armes Brot." Die "Torte", jener feine (gefüllte oder mit Früchten belegte) Kuchen" - wörtlich übersetzt "die Runde", denn lateinisch "tortus" heißt "gedreht" - bezeichnete vermutlich zunächst eine "gedrehte (Ton-)Scheibe" und wurde dann auf ein "flaches, scheibenartiges Gebäck" übertragen.

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats Oktober 2007
Quark

Der Ausdruck für den "beim Gerinnen der Milch sich ausscheidenden Käsestoff und den daraus hergestellten Weißkäse" ist im ausgehenden Mittelalter in Ostmitteldeutschland von den Slawen übernommen worden.
Landschaftliche Ausdrücke für den "Käsestoff", "Weißkäse" sind z. B. "Hotte", "Matte", "Topfen", "Zieger". Umgangssprachlich wird das Wort "Quark" im Sinne von "Unsinn", "Quatsch", "etwas, das sich nicht lohnt" gebraucht.

Die uns aus der heutigen Umgangssprache bekannte Neigung, "Quark" auch für "etwas Unbedeutendes" zu verwenden, ist schon von Goethe ausgiebig genutzt worden:
In seinem "Divan: Buch der Sprüche" heißt es: "Getretner Quark / Wird breit, nicht stark.- / Schlägst Du ihn aber mit Gewalt / In feste Form, er nimmt Gestalt."

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats September 2007
dezimieren

Wir alle wissen, daß "zehn" die Bedeutung von "decem" ist, daß "der Zehnte" im Lateinischen "decimus" heißt. Entsprechend bedeutete "decimare": "jeden zehnten Mann töten". Auch im Deutschen wurde das Wort "dezimieren" zunächst in diesem Sinne verwendet, vorwiegend in Schilderungen römischer Kriegsbräuche: Nur langsam löste sich das deutsche Wort vom römischen Hintergrund; das ursprüngliche Benennungsmotiv ging verloren, und es kam zu einer Verallgemeinerung der Bedeutung. Etwa seit dem 18. Jahrhundert versteht man unter "dezimieren": "Verluste beibringen", "in seinem Bestand vermindern".

(Aus: Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl. München 2003, Verlag C.H. Beck.)

Wort des Monats August 2007
Müsli

Es wird gewöhnlich definiert als "Rohkostgericht, besonders aus Getreideflocken", zuweilen wird noch auf die schweizerische Schreib- und Aussprachevariante hingewiesen: "Müesli". Ganz korrekt müßte man vom "Bircher Müesli" sprechen, denn ein Schweizer Arzt namens "Maximilian Oskar Bircher-Benner" (1867-1939) hat die gesundheitsfördernde Mischung im Rahmen seiner Ernährungslehre herausgestellt.

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats Juli 2007
großkotzig

Das salopp-abwertende Adjektiv "großkotzig" wird gewöhnlich als "widerlich aufschneidend", "protzig" definiert. Mit dem Essensbereich hat es jedenfalls, auch wenn sich Assoziationen mit dem Erbrechen einstellen mögen, überhaupt nichts zu tun, denn es entstammt dem jiddischen Wort "kozn", das seinerseits von dem hebräischen Wort "katzin" ("Richter" / "Fürst") hergeleitet ist. Das jüdischdeutsche Sprichwort "Der kozen läßt’s klingen, der dalfen läßt’s springen" will sagen: "der Reiche gibt mit seinem Geld an, der Arme gibt seines aus"; der "großkozen" ist ein "Schwerreicher", aber auch "jemand, der sich selber große Wichtigkeit zumißt".

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats Juni 2007
Lukullus, lukullisches Mahl

Ein "üppiges, mit Geschmack zusammengestelltes und zubereitetes Menü" nennen viele ein "lukullisches Mahl" - nach "Lucius Licinius Lucullus" (117-57), der bei uns als Inbegriff des "Schlemmers" gilt. Wenig bekannt ist freilich, daß er sich dazu erst in fortgeschrittenem Alter entwickelt hat; in die Geschichte ist er vor allem als Feldherr eingegangen.

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats Mai 2007
Sirene

Das Wort "Sirene" gehört zum bildungssprachlichen Wortschatz und begegnet uns gelegentlich im Sinne von "schöne, verführerische Frau".
Die Sirenen (griechisch "Seirenes") gelten ursprünglich als Totengeister, die nach Blut (Vampire!) und Liebesgenuß (Goethes „Braut von Korinth“!) lechzen. Erst in alexandrinischer Zeit kommt eine neue Legende auf, nach der sie einst spröde Jungfrauen waren. Die Kunst stellte sie als Vögel mit Jungfrauenleib dar. Bei Homer locken sie durch bezaubernden Gesang die vorüberfahrenden Menschen ins Verderben. Odysseus läßt sich an den Mastbaum binden und verstopft die Ohren der Gefährten mit Wachs. Ihre Deutung auf die Lockungen der Sinnlichkeit begegnet uns schon bei antiken Autoren. Das Wort erscheint schon im Mittelhochdeutschen als "sîrên".

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats April 2007
Zores

Unter "Zores" versteht man im südwestdeutschen und westdeutschen Raum noch heute "Ärger", "Wirrwarr", "Lärm". In Jurek Beckers Roman "Jakob der Lügner" heißt es z.B.: "...als ob ich nicht genug andere Zores am Halse hätte."

Das Wort ist seit dem 19. Jahrhundert belegt und entstammt dem Rotwelschen, das es wiederum dem Westjiddischen entlehnt hat.

(Aus: Christoph Gutknecht, Lauter böhmische Dörfer oder wie die Wörter zu ihrer Bedeutung kamen. 8. Aufl., München 2004, Verlag C. H. Beck)

Wort des Monats März 2007
Jemandem einen Bärendienst erweisen

"Jemandem einen Bärendienst erweisen" bedeutet: ihm "einen schlechten Dienst erweisen", ja letztlich sogar "ihm eine Schädigung zufügen". Die Bedeutung ist naheliegend, allerdings nur, wenn man den Ursprung der Redewendung kennt. Der französische Fabeldichter Jean de La Fontaine (1621-1695), einer der vier Großen der französischen Klassik des 17. Jahrhunderts, verfaßte u.a. die Fabel "Der Bär und der Gärtner". Darin tötet ein hilfsbereiter Bär eine Fliege auf der Nasenspitze seines Herrn, damit gleichzeitig jedoch auch diesen selbst.

(Aus: Christph Gutknecht: Lauter spitze Zungen. Geflügelte Worte und ihre Geschichte. 3. Aufl., München 2001,Verlag C. H. Beck)

Wort des Monats Februar 2007
Drückeberger

"Drückeberger" gehört - ähnlich wie "Schlauberger" - zu jenen innovativen Wortbildungen in phraseologischen Wendungen, die auf scherzhaft erfundenen Ortsbezeichnungen beruhen. Bei solchen Scherznamen wird eine appellativische Bedeutung in eine Namenstruktur gebracht; es liegt also kein echter Eigenname vor.

(Aus: Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl. München 2003, Verlag C.H. Beck.)

Wort des Monats Januar 2007
Auster

Die im 16. Jahrhundert über das niederdeutsche "uster" ins Hochdeutsche gelangte Bezeichnung für die eßbare Meeresmuschel ist aus dem Niederländischen entlehnt worden. Ursprünglich geht sie auf das griechische "óstreon" zurück, das zum Stamm von griechisch "ostéon" ("Knochen", "Bein") und griechisch "óstrakon" ("harte Schale", "Scherbe") gehört. Die hartknochige Schale hat der Auster also ihren Namen gegeben.

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats Dezember 2006
Onomatopöie

"Onomatopöie" (griech. "onoma" + "poiein" = "mit Namen belegen", "Namen erdichten"). Dieses uralte Stilmittel der Lyrik begegnet als Lautmalerei ("tick-tack", "kikeriki", "miau") und Interjektion ("O!", "Ach!", "Juchhe!") sowohl im Kindervers, im Volkslied und nicht minder in der hohen Dichtung. "Pfui!" klingt es aus Elternmund, "Buh!" aus dem Zuschauerraum, und aus romantischen Männerkehlen schallt es innig: "0 Täler weit, 0 Höhen!" Besonders die Opernkomponisten liebten es, mit onomatopoetischen Wendungen in der Arie sich einen der Musik ergebenen Metatext zum Text zu schaffen. "Hum! hum! hum! hum! hum! hum! hum! Nu! Nu! Nu! Pa-Pa-Pa-Pa-Pa-Pa-Papagena! Pa-Pa-Pa-Pa-Pa-Pa-Pa­pageno" (Mozart: Zauberflöte); "La la la, la la la, la la la la!" (Rossini: Barbier von Sevilla); "Aia, Aia, Aia, Aia, Aia, Aia, ailala, ailala, ailala., ailala" (Orff: Bernauerin). Was insbesondere Richard Wagner lieb war - "Hoiho! Hoihohoho!" (Götterdämmerung), "Hohojo! Hallohoho! Jollo-hohoho! Hohoje! Hallololo! ho ho ho ho ho hol" (Fliegender Holländer), "Weia! Waga! Wagalaweia! Wallala Weiala weia!" (Rheingold), "Hojotoho! Hojotoho! Heiaha! Haiaha!" (Walküre) -, ist der Renaissance laut- und geräuschimitierender Wörter im Comic von heute nur billig.

(Aus: Christoph Gutknecht: Lauter Worte über Worte. Runde und spitze Gedanken über Sprache und Literatur. München 1999: Verlag C. H. Beck)

Wort des Monats November 2006
Schmalhans

Die „Brockhaus-Enzyklopädie“ (Bd. 27, 191999:93) beschreibt zu Recht, daß nach früherer Vorstellung ein dünner Koch ein Zeichen für schlechte Küche oder geizige Dienstherren war: „Darauf dürfte die Personifizierung "Schmalhans" (= "schmaler Hans") für "Hunger" oder "Ungastlichkeit" zurückgehen.“
Die umgangssprachliche Wendung, nach der bei jemandem "Schmalhans Küchenmeister" ist, hört man recht häufig; sie besagt, daß es beim Betreffenden äußerst knapp zugeht.

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats Oktober 2006
Liebe machen

"To make love" heißt die englische Wendung, die für die Übersetzung "Liebe machen" Pate gestanden hat, die man heute ebenso im Deutschen hört wie "one-night stand" ([Abkürzung: "ONS"], die umgangssprachliche Bezeichnung für den Geschlechtsverkehr, bei dem man sich nur für eine Nacht sieht und dann wieder trennt: im Englischen sagt man dafür auch oft "trick"). "To have sex" ist als "Sex haben" ins Deutsche eingegangen, ins Japanische als "sekkusu suru".

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats September 2006
Scherbengericht

Gerade in politischen Zusammenhängen wird das Wort gern verwendet, ohne daß sich die meisten Sprecher und Schreiber seines Ursprungs bewußt sein dürften.
Ein "Scherbengericht" bezeichnet "ein ungerechtes oder oberflächliches Urteil der Menge über einen berühmten Mann". "όστρακον" ("óstrakon") war die "Tonscherbe", auf welche die Athener Bürger den Namen dessen schrieben, den sie in die Verbannung schicken wollten.

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats August 2006
Abenteuer

Unser Wort "Abenteuer" im Sinne von "prickelndes Erlebnis", "gewagtes Unternehmen" wurde Ende des 12. Jahrhunderts (mittelhochdeutsch "abentiure", "aventiure" = "Begebenheit", "Erlebnis", "Wagnis" usw.) aus dem gleichbedeutenden altfrz. "aventure" entlehnt. Dies geht auf ein vulgärlateinisches "*adventura" = "Ereignis", "Geschehnis" (eigentlich: "das, was sich ereignen wird") zurück, das zu lateinisch "ad-venire" = "he­rankommen", "sich ereignen" (vgl. "Advent") gehört. Das Wort hatte eine reiche Bedeutungsentfaltung und wurde früher auch im Sinne von "Geschick", "Zufall", "Risiko", "Kunde", "Bericht von einem außerordentlichen Ereignis", "Betrug", "Gaunerei", "Trick", "[falscher] Edelstein", "Preis", "Trophäe", "Wettschießen" verwendet.

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats Juli 2006
Affäre, affaire, faire

Was sich aus einem zärtlichen Zusammensein ergeben kann, wird umgangssprachlich häufig eine "Affäre" genannt; das Wort steht verkürzend für "affaire d’amour", denn unser Fremdwort "Affäre" wurde im 17. Jahrhundert aus dem Französischen ("affaire") entlehnt. Das französische Wort selbst ist durch Zusammenrückung der Fügung "avoir à faire" = "zu tun [haben]" entstanden. Das zugrunde liegende Verb "faire" = "machen", "tun" beruht auf dem gleichbedeutenden lateinischen "facere". "Affair d’amour" kann man mit "Liebesabenteuer" übersetzen.

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats Juni 2006
Berliner, Bolas do Berlin

Das krapfenähnliche Gebäck, das anderswo "Berliner Pfannkuchen" oder schlichtweg "Berliner" genannt wird - selbst in Portugal spricht man von "bolas do Berlin" ("Berliner Bällchen") - heißt in der deutschen Hauptstadt schlichtweg: "Pfannkuchen". Schlägt man Gisela Buddées "Kleines Lexikon Berliner Begriffe" (2000) auf, so findet man darin keinen Eintrag über den mit Zucker bestreuten "Berliner" - eigentlich folgerichtig.

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats Mai 2006
Freier

Freier (W2)

Das Wort "Freier" für den "Kunden der Prostituierten" - ob im Bordell, in Massagesalons, in Modellwohnungen, in Nobelhotels, in sogenannten Absteigen oder auf der Straße - ist keineswegs neu - es begegnet schon im Rotwelschen in der Bedeutung "Fremder", "Herr", "Mann", "Bursche". Nicht ganz von der Hand zu weisen ist auch ein Anschluß an niederländisches "vrijen" ("koitieren") und "vrijer" ("jemand, der koitiert"), zumal dieses Wort mit dem neuhochdeutschen Verb "freien" im Sinne von "auf Brautschau gehen" wortgeschichtlich identisch ist.

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats April 2006
Jargon

Das Wort Jargon in der Bedeutung "Sondersprache" wurde im 18. Jahrhundert aus dem gleichbedeutenden französischen Wort "jargon" (wörtlich: "unverständliches Gerede") entlehnt.

Friedrich der Große (1740-1786) schreibt dazu: "Betrachten wir nun unser Vaterland: Ich höre einen Jargon reden, dem jede Anmut fehlt und den jeder nach seiner Laune handhabt; die Ausdrücke werden wahllos angewandt, die passendsten und bezeichnendsten Wörter vernachlässigt, und der eigentliche Sinn ertrinkt in einem Meer von Nebensächlichkeiten."

(Aus: Christoph Gutknecht: Lauter Worte über Worte. Runde und spitze Gedanken über Sprache und Literatur. München 1999: Verlag C. H. Beck)

Wort des Monats März 2006
Rettich, Radieschen

Die zu den Kreuzblütlern gehörende Gemüsepflanze ist nach ihrer recht scharf schmeckenden eßbaren Wurzelknolle benannt. Die mittelhochdeutschen Wörter "retich", "rætich", das Wort althdt. "ratih" und das altengl. "rædic" gehen auf das lateinische "radix" ("Wurzel") zurück, das übrigens auch die Quelle für unser Lehnwort "Radieschen" ist.

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats Februar 2006
sauertöpfisch

Als "Sauertopf" gilt - und dies schon seit Mitte des 16. Jahrhunderts - ein "verdrießlicher, mürrischer Mensch". Eigentlich müßte man von einem "Essigtopf" sprechen, denn das mittelniederdeutsche Wort "sûr" hatte die Bedeutung "Essig".

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats Januar 2006
sich auf seine vier Buchstaben setzen

Zuweilen setzen wir uns "auf unsere vier Buchstaben". Die Zahl Vier ist hier als ein "Euphemismus" für das aus vier Buchstaben bestehende Wort "Popo" aufzufassen. In Süddeutschland hört man freilich auch die Aufforderung "Setz Dich auf Deine f ü n f Buchstaben" (den Arsch).

(Aus: Christph Gutknecht: Lauter spitze Zungen. Geflügelte Worte und ihre Geschichte. 3. Aufl., München 2001,Verlag C. H. Beck)

Wort des Monats Dezember 2005
Hals- und Beinbruch

Wenn wir jemandem "Hals- und Beinbruch", also "viel Erfolg" wünschen, sind wir uns oft nicht darüber im klaren, woher dieser Ausdruck eigentlich stammt, denn - wörtlich genommen - drückt er ja eigentlich gerade das Gegenteil, also Mißerfolg, aus. Die Lösung: Er ist dem hebräischen Glückwunsch entlehnt: "hazlacha" = "Erfolg" und "beracha" = "Segen".

(Aus: Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl. München 2003, Verlag C.H. Beck.)

Wort des Monats November 2005
Lebemann

Ein aktiver, lebensfreudiger Mann wurde schon bei Goethe als Lebemann bezeichnet. In einem Brief an den Großherzog Carl August vom 20. 7. 1826 (HAB 4, 196) lesen wir: "Man sieht einen überall willkommenen Welt- und Lebemann (gemeint: Herzog Bernhard von Weimar), einen wohlunterrichteten geprüften Militär, einen Teilnehmenden an Staats- und bürgerlichen Einrichtungen, bei Gastmahlen und Tänzen an seinem Platz, gegen Frauen-Anmut nicht unempfindlich." Und an anderer Stelle heißt es: "Sprechen wir es aber aufrichtig aus: ein eigentlicher Lebemann, der frei und praktisch atmet, hat kein ästhetisches Gefühl und keinen Geschmack, ihm genügt Realität im Handeln, Genießen, Betrachten ebenso wie im Dichten ."(Westöstl. Divan/Noten u. Abhandlungen/Allgemeines HA 2, 162 f.).

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats Oktober 2005
Mätresse

Heute gehört das Wort "Mätresse" zum erweiterten Standardwortschatz, kann jedoch zu Recht als "stark veraltet" klassifiziert werden. In Johann Philipp Bauers Schrift "Der Mensch in Bezug auf sein Geschlecht" (1841) können wir noch lesen: "Öffentliche Hurenhäuser mindern die Neigung der ehelosen und selbst der verheirateten Männer, sich Maitressen zu halten." Das Wort hat (vor allem im 17. Jahrhundert) die Bedeutung "Geliebte eines Fürsten" und ist vom französischen Wort "maîtresse" (eigentlich ,"Gebieterin", "Meisterin") entlehnt, der motivierten Form von französisch "maître" ("Gebieter", "Herr", "Meister"), das seinerseits auf lateinisches "magister" ("Vorgesetzter", "Lehrmeister") zurückgeht.

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats September 2005
Das kommt mir spanisch vor

Die Wendung "das kommt mir spanisch vor" hat ihren Ursprung im Aufbegehren deutscher protestantischer Kreise gegen die Einführung spanischer Sitten und Gebräuche zur Zeit Kaiser Karls V., der, als Sohn des Habsburgers Philipp des Schönen und der spanischen Erbin Johanna der Wahnsinnigen geboren, später zugleich deutscher Kaiser und König von Spanien war.
Daß auch große Geister gelegentlich von sprachlicher Verwirrung nicht ganz frei sind, beweist eine Stelle im Zweiten Buch von Goethes "Die Leides des jungen Werthers", in der es heißt: "Das waren dem Gehirne spanische Dörfer, und ich empfahl mich, um nicht über ein weiteres Deraisonnement noch mehr Galle zu schlucken." Bei den spanischen Dörfern sind dem berühmten Dichter offenbar zwei Redewendungen zu einer verschmolzen.

(Aus: Christoph Gutknecht, Lauter böhmische Dörfer oder wie die Wörter zu ihrer Bedeutung kamen. 8. Aufl., München 2004, Verlag C. H. Beck)

Wort des Monats August 2005
ausfressen

Wir alle kennen aus eigenem Erleben in der Jugendzeit die Wendung "etwas ausgefressen haben" mit der Bedeutung "(heimlich) etwas Schlechtes getan haben". Die bedrohliche Frage "Was hast du ausgefressen?" bedeutete jedesmal: "Was hast du verbrochen?" Der umgangssprachliche Ausdruck bezog sich ursprünglich wohl auf einen Hund oder eine Katze, die sich etwas zum Fressen gestohlen hatten und daher mit ängstlichem Blick ihrer Strafe entgegensahen; er wurde erst später auf Menschen übertragen und zum ersten Male von Karl Albrecht (1881) in seinem Buch über "Die Leipziger Mundart" aufgeführt, in der Literatur begegnet er erstmalig 1899 in Adolf Bartels' historischem Roman "Dietrich Sebrandt".

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats Juli 2005
ausgekocht

Das Wort "ausgekocht" hat - sprachlich betrachtet - weder mit einem (schon gar nicht mit einem bestimmten) Koch noch mit dem Kochen etwas zu tun; vielmehr geht es auf das jiddische Wort "kochem" zurück, und das heißt "weise": Von einem Menschen, der "raffiniert", "pfiffig", "verschlagen" oder "durchtrieben" ist, sagen wir daher, er sei ausgekocht.

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

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Wort des Monats Juni 2005
Dirne, Deern, Dirndl

Das auf deutsches und niederländisches Sprachgebiet beschränkte Wort - mittelhochdeutsch "dierne", althdt. "thiorna", mittelniederdeutsch "*dērne", niederländisch "deern(e)" - geht zurück auf germanisches "*∂ewerno" mit der Bedeutung "Jungfrau", "Mädchen". Diese alte Bedeutung ist noch in den Mundarten bewahrt; man denke an norddeutsches "Deern" und bairisch-österreichisches "Dirndl". In mittelhochdeutscher Zeit wurde das Wort dann auch im Sinne von "Magd", "Dienerin" verwendet und gelangte schließlich im 16. Jahrhundert zur heutigen Bedeutung "Hure", z. B. in der Straßburger Verordnung für die öffentlichen Häuser vom Jahre 1500: "were ouch sache das ein frowenwürt, würtin oder hushälter einer dyrnen cleyder lihen etc."

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats Mai 2005
kobern, ankobern, nachkobern, Koberbar, Koberzimmer, Koberheini

Die Kontaktsuche von Prostituierten zu den Freiern und das Aushandeln des Liebeslohns nennt man in einschlägigen Kreisen "kobern". Die etymologische Herleitung des Verbs ist nicht restlos geklärt: die jiddischen Wörter "kowo", "kübbo" tragen die Bedeutung "Schlafkammer", "kleines Gelaß", "Bordell", "Hütte", "Zelt"; auch das niederdeutsche Nomen "koop" in den Bedeutungen "Kauf", "Geschäft" und "Preis", "Kaufpreis" kommen als Ursprung in Frage. Varianten von "kobern" sind die präfigierten Verben "ankobern" (einen Freier ansprechen) und "nachkobern" (Geld nachfordern oder den vorab vereinbarten Preis erhöhen). Eine Hotelbar, in der Gäste angesprochen werden, heißt "Koberbar", das "Bordellzimmer", in dem die Prostituierten auf Gäste warten, heißt "Koberzimmer", der Portier vor dem Etablissement ist der "Koberheini".

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats April 2005
Kainsmal

Das Kainsmal gilt im übertragenen Sinne als "ein unauslöschliches Attribut, das einem Mörder lebenslang anhaftet". In der Bibel hat dieser Ausdruck jedoch einen völlig anderen Sinn. Dort heißt es von Kain, der seinen Bruder Abel erschlagen hatte: "Und der Herr machte ein Zeichen an Kain, daß ihn niemand erschlüge, der ihn finde" (Gen 4,15). Der Ausdruck zielt also nicht auf die Brandmarkung eines Schuldigen, sondern ist ein Schutzzeichen, das der ungezügelten Ausbreitung der Blutrache Einhalt gebieten will.

(Aus: Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl. München 2003, Verlag C.H. Beck.)

Wort des Monats März 2005
Fug und Recht

In der Formel "mit Fug und Recht" sind zwei Elemente zusammengefügt, die durchaus zueinander passen. Das mittelhochdeutsche Wort "vuoc(-ges")- eine Rückbildung aus "vüegen" in der Bedeutung "passend zusammensetzen", "sich anpassen" - bedeutete nämlich "Kunstfertigkeit", "Angemessenheit", "Schicklichkeit"; noch heute bezeichnen wir das, was unangemessen und unschicklich ist, als "Unfug". Andererseits sind wir - sprachlich gesehen - nur noch befugt, "Fug" im Sinne von "Berechtigung" in bestimmten Wendungen zu gebrauchen; schon Goethe erwähnte "Künstlers Fug und Recht".

(Aus: Christph Gutknecht: Lauter spitze Zungen. Geflügelte Worte und ihre Geschichte. 3. Aufl., München 2001,Verlag C. H. Beck)

Wort des Monats Februar 2005
Dreikäsehoch

Gewöhnlich bezeichnen wir einen sehr kleinen Menschen, besonders aber ein kleines Kind, das sich als ein Gernegroß aufspielt, als einen Dreikäsehoch; schon seit dem 18. Jahrhundert kennt man aufgestapelte Käselaibe als scherzhafte Maßangabe für Kinder.

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats Januar 2005
Vamp

Vamp hat weniger die Bedeutung "Prostituierte"; eher definiert sich ein Vamp als "kalte Frauenschönheit" deren Sinnlichkeit ein Mann leicht verfällt. Das Wort ist im Englischen durch Kürzung aus "vampire" entstanden und bezog sich ursprünglich auf den männermordenden Frauentyp des amerikanischen Stummfilms. Wörterbuchschreiber streiten sich um das erste Auftreten des Wortes. Nach einer Version geht die Bezeichnung zurück auf den 1915 gedrehten Film "Les Vampyres" von Louis Feuillades, das "Oxford English Dictionary" führt einen früheren Erstbeleg von Chesterton aus dem Jahre 1911 an.

"Vamp" ist weitgehend synonym mit dem französischen "femme fatale" und überschneidet sich zum Teil mit "Sexbombe".

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats Dezember 2004
Keks, biscuit

Aus dem Englischen stammt unser Wort "Keks"; als "cakes" bezeichnet man bei unseren angelsächsischen Freunden nicht das Kleingebäck, vielmehr ist es die Pluralform von cake ("Kuchen"). Deutsche "Kekse" sind also gewissermaßen zweimal in den Plural gesetzt worden. Unser "Keks" heißt bei Engländern und Amerikanern "biscuit"; dieses Wort haben sie aus dem Französischen entlehnt. Bemerkenswert ist, daß das deutsche Wort "Keks" im Jahre 1911 durch Hermann Bahlsen eingeführt und 1915 offiziell in den Duden aufgenommen worden ist.

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats November 2004
Playboy

Am 10. 1. 1962 lästerte "Der Spiegel" über Porfirio Rubirosa und nannte ihn einen "alternden Playboy". Ein neues Wort war damit in die deutsche Sprache eingedrungen; das "Anglizismen-Wörterbuch" (2001) liefert die exakte Definition:

"…meist gutaussehender Mann, der aufgrund seiner wirtschaftlichen Unabhängigkeit primär seinem Vergnügen nachgehen kann und sich in Kleidung und Auftreten meist durch verschwenderische Unbekümmertheit auszeichnet, die Gesellschaft schöner Frauen genießt und sich häufig an mondänen Urlaubsorten aufhält."

Die "Gesellschaft für deutsche Sprache" zählt auch dieses Wort zu den "Schlüsselbegriffen des 20. Jahrhunderts".

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

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Wort des Monats Oktober 2004
Kiez

Das Wort "Kiez" ist slawischer Herkunft, denn es benannte ursprünglich eine kleine Auenrandsiedlung in Form einer gedrängten Dorfzeile im slawischen Siedlungsgebiet rechts der Elbe. Kieze entstanden neben Burgen als Wohnsitze niederer Dienstleute slawischer Abkunft, die häufig Fischer waren: daher sprach man vom sogenannten "Fischer-Kiez". Manche Kieze wurden zu Vorstädten, von daher wurde dann Kiez, speziell im Rotwelschen, zu einem geringschätzigen Wort für ein anrüchiges Stadtviertel. Heute dient Kiez nicht nur zur regionalen Bezeichnung für arme Stadtviertel. In Hamburg spricht man beispielsweise vom "Kiezgefilde", wenn man den Stadtteil St. Pauli meint, in dem das Vergnügungsviertel liegt. Gäste, die am Wochenende dorthin einströmen, gelten ebenso wie Menschen, die es häufig in dieses Viertel zieht, als Kiezgänger.

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

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Wort des Monats September 2004
Casanova

Sehr häufig wird noch heute das Wort Casanova im Sinne von "Frauenheld, Frauenliebling, Herzensbrecher, Schürzenjäger, Weiberheld" gebraucht. Giacomo Girolamo Casanova (1725-1798), in Venedig geboren, schlug mit 17 Jahren, als er die niederen Weihen der katholischen Kirche empfangen hatte und Doktor der Rechte war, seinen Lebensweg als Verführer und Lebenskünstler ein, der ihn kreuz und quer durch Europa, nach Konstantinopel, Paris, London, Berlin, Warschau, St. Petersburg, Moskau, Dresden und Wien führte. Der berühmteste Liebhaber der Weltgeschichte, sorgte selbst für seinen Ruhm, indem er seine Memoiren verfaßte. In einem 4545seitigen Manuskript schilderte er sein Liebesleben bis zum Sommer 1774, als er 49 Jahre alt war.

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats August 2004
Steckenpferd

Was im Englischen "hobby" heißt, wurde im Deutschen früher häufig als "Steckenpferd" bezeichnet. Kinder tollten seit uralten Zeiten wie ein Reiter mit einem Stecken herum, der einen hölzernen Pferdekopf besaß; für Erwachsene wurde das Steckenpferd(-Reiten) im übertragenen Sinne von "Lieblings-beschäftigung" erst seit dem Jahre 1763 durch die Romanübersetzung des "Tristram Shandy" (von Laurence Sterne) gebräuchlich. Das englische "hobby-horse" leitet sich möglicherweise von der Koseform "Hob" des Vornamens "Rob" (kurz für: "Robin") her; noch in Shakespeares im Jahre 1600 veröffentlichter Komödie "Much Ado About Nothing" ("Viel Lärm um Nichts") bezeichnet "hobby-horse" einen "albernen Menschen".

(Aus: Christph Gutknecht: Lauter spitze Zungen. Geflügelte Worte und ihre Geschichte. 3. Aufl., München 2001,Verlag C. H. Beck)

Wort des Monats Juli 2004
Puff

Von dem im Wienerischen auch belegten Wort "Buf" ("Puff") liest man, es könne aus rotwelschem "puffen" = "schlafen", "futuere" hergeleitet sein, doch diese Erläuterung ist nicht recht befriedigend. Friedrich Kluge ("Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache") hält die Bezeichnung "Puff" für "Bordell" für eine vulgärsprachliche studentische Bildung aus dem 15. Jahrhundert und glaubt, nach der Interjektion "puff" habe sich zunächst die Bedeutung "Stoß" herausgebildet - schon im Mittelhochdeutschen belegt als "buf" -, dann, offenbar nach dem Geräusch der aufschlagenden Würfel, auch die lautmalende Bezeichnung für ein "Brettspiel mit Würfeln": "Da solche Spiele in den alten Badehäusern zwischen Männern und Frauen gespielt wurden und das Spiel dann zwanglos in mehr erotische Spiele übergehen konnte, galten die Badehäuser bald als eine Art Bordell, und "Puff" stand häufig als Teil für das Ganze." Diese These überzeugt: Aus im 16. Jahrhundert belegten verhüllenden Wendungen wie "hat …mit ihr anfahen im pret zu spilen" dürfte sich über "mit einer Dame Puff spielen" das Wort "Puff" für "Bordell" herausgebildet haben, sicher unter dem Einfluß von "puffen", das landschaftlich - ebenso wie "stoßen", "bumsen" - noch heute für "mit jemandem schlafen" steht. Um das Wort "Puff" gruppiert sich eine Reihe von Komposita: "Puffkellner" ("Wirtschafter", "Bordellkellner"), "Puffgänger" ("Bordellbesucher") usw.

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats Juni 2004
geil

Blättert man in Günther Hunolds "Lexikon des pornographischen Wortschatzes" (1972), so liest man unter dem Stichwort "geil": "Das altgermanische Wort bedeutete ursprünglich "kraftvoll", "üppig", "übermütig", "lustig". Heute fast nur noch im Sinne von "wollüstig", "lüstern", "sexuell erregt" und "gierig" gebräuchlich."

Schon drei Jahrzehnte nach seiner Aussage müssen wir den Verfasser korrigieren, denn heute ist das Wort "geil" bei vielen Sprachteilnehmern jeglichen sexuellen Anklangs entkleidet - es bedeutet lediglich "toll", "super", "heftig". Aufschlußreich ist dabei, daß das altengl. "gal" mit der Bedeutungsskala "stolz", "übermütig", "lustig", "lüstern" und das altisländische "geiligr", das "stattlich" oder "schön" bedeutete, im germanischen Sprachbereich, z.B. verwandt sind mit dem älteren niederländischen "gijlen" im Sinne von "gären" und dem norwegischen "gil" für "gärendes Bier". Somit ergibt sich für das germanische Adjektiv die Bedeutungskette: "in Gärung befindlich" oder "aufschäumend", dann "erregt" bzw. "heftig". Außergermanische Vergleiche lassen sich in der baltoslawischen Sippe finden, z.B. die litauischen Adjektive "gailas" (mit der Bedeutung "heftig") und "ailùs", das ebenso "jähzornig", "wütend", "rachsüchtig" wie "scharf" "beißend", "bitter" bedeuten kann. Nach Jahrhunderten schließt sich wieder ein Bedeutungskreis.

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats Mai 2004
schanghaien

In Schanghai war es offenbar eine lang geübte Praxis mancher Handelsgesellschaften, junge Leute gewaltsam zum Dienst an Bord zu verpflichten oder sie unter Alkohol zu setzen und aufs Schiff zu schleppen. Erst auf hoher See merkten die Opfer dann, daß sie sich auf einem Seelenverkäufer befanden. Von der Stadt Schanghai, in der die geschilderte Anheuerungspraxis häufig vorgekommen sein soll, ist also in diesem Fall ein Verb gebildet worden. Linguistisch gesprochen handelt es sich hier um eine Bezeichnungsübertragung.

(Aus: Christoph Gutknecht: Lauter böhmische Dörfer. Wie die Wörter zu ihrer Bedeutung kamen. 7. Aufl., München 2004: C. H. Beck Verlag.)

Wort des Monats April 2004
Kokotte

Das Wort Kokotte entstammt dem Französischen: dort bedeutet cocotte "Hühnchen". Die Kokotten waren die Edelprostituierten des 18./19. Jahrhunderts; sie legten großen Wert auf ein elegantes Äußeres und waren zu ihrer Zeit sehr begehrt. Eine Kokotte zu haben war nicht anrüchig, es galt in der damaligen Gesellschaft vielmehr als Statussymbol, zumal sich nur wohlhabende Männer eine Kokotte leisten konnten, da die sich ihre Dienste teuer bezahlen ließ. Im Unterschied zu den Mätressen hatten die Kokotten nicht nur einen, sondern mehrere Liebhaber - nacheinander oder gleichzeitig. Kokotten sind mit den heutigen Callgirls vergleichbar.

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats März 2004
flirten

Bevor es zum Liebesleben kommt, müssen die späteren Partner sich kennenlernen. Verschiedene Wege der Annäherung können jeden Menschen dem oder der Erwünschten näherbringen - eine unverfängliche Möglichkeit ist der Flirt, die Form der erotischen Werbung, bei der Interesse für eine andere Person durch bestimmte Verhaltensweisen, Blicke, Gesten oder scherzhafte Worte bekundet wird.

Das Verb flirten mit der Bedeutung "den Hof machen, kokettieren" wurde um 1890 aus gleichbedeutendem englischen to flirt entlehnt - das englische Nomen heißt übrigens flirtation -, dessen weitere Herkunft nicht gesichert ist. Möglicherweise leitet es sich aus altfrz. "fleureter" ("schmeicheln", "mit Blumen schmücken") her.

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats Februar 2004
Zuhälter

Das seit dem 19. Jahrhundert belegte Wort Zuhälter wurde ursprünglich in der Sprache der Polizei gebildet und analog zu dem im 15. Jahrhundert für Dirne gebräuchlichen Wort Zuhälterin gebildet. Die spätmittelhochdeutsche Wendung mit einem zuohalten hatte die Bedeutung "zu einem halten" und bezeichnete zunächst das außereheliche Verhältnis einer Frau zu einem Mann. Über die Analogbildung "außerehelicher Geliebter" kam es später zur Bedeutung "Dirnenbeschützer" und ist heute gemeinsprachlich gängig.

(Aus: Christoph Gutknecht. Ich mach's dir mexikanisch. Lauter erotische Wortgeschichten. München 2004: Verlag C. H. Beck.)

Wort des Monats Januar 2004
Kapital/Geld aus einer Sache (heraus)schlagen

Die Bedeutung und das Verwendungsspektrum dieses Ausdrucks sind offensichtlich: "an einer Sache gut verdienen", "Gewinn herausholen", "von etwas profitieren", "aus etwas Vorteile ziehen".

Die Herkunft dieses Ausdrucks ist den meisten Sprachbenutzern nicht mehr bewußt. Er geht auf die Zeit zurück, als die Münzen noch einzeln von Hand aus dem Metallblech herausgeschlagen werden mußten, weil es keine Prägemaschinen gab. Hier haben wir also den kognitiv-linguistisch interessanten Fall, daß ein Ausdruck bestimmte Umstände gleichsetzt mit einem Edelmetallblech, aus dem Geld herausgeschlagen werden kann.

(Aus: Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl. München 2003, Verlag C.H. Beck.)

Wort des Monats Dezember 2003
Artischocke

Die "Artischocke", deren Bezeichnung über italienische und spanische Zwischenformen wahrscheinlich auf das arabische Wort (mit Artikel) "al-harðûf" zurückgeht, zählt zu den edelsten Gemüsen und galt bereits im Zeitalter des Barock als vitalisierende und kräftigende Pflanze. Der aus Siena stammende italienische Arzt Petrus Andrea Matthiolus (1501-1577) beschrieb ihre aphrodisische Wirkung im 16. Jahrhundert mit den Worten: "Die Wurzeln und das Fleisch unter den Köpfen (Artischockenboden) mit Salz, Pfeffer und Galgant (Ingwer) verzehrt, öffnen den Gang zum unkeuschen Samen". Wissenschaftler und Ärzte behaupteten schon damals, daß die Artischocke "körperliche Lust" hervorrufe. Das Wissen um ihre erotisierende Wirkung soll sich auch die Gräfin Dubarry, die berühmt-berüchtigte Maitresse Ludwigs XV., zunutze gemacht haben, indem sie raffinierte Artischockengerichte zubereiten ließ, um das Begehren des französischen Königs wachzuhalten.

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats November 2003
Miete - das ist schon die halbe Miete

Der Ausdruck "das ist schon die halbe Miete" oszilliert zwischen "das Wesentliche", "ein großer Vorteil" und "die Hälfte der zum Spielgewinn nötigen Punkte bringen" (von einem Stich mit 31 Augen). Die letztere Bedeutung ist natürlich nur im Kontext des Kartenspiels zu verstehen: "die halbe Miete (sein/bringen)" ist in der Sprache der Skatspieler ein gängiger Ausdruck.

Was dem Stadtbewohner nicht unbedingt geläufig ist: als "Miete" bezeichnet man auch eine mit Stroh oder Erde abgedeckte Grube, in der Rüben oder ähnliche Feldfrüchte zum Schutz gegen Frost aufbewahrt werden. Die etwas rustikalere Erklärung unserer Redewendung ist daher durchaus nicht abwegig: war die halbe Miete gefüllt, so war bereits die Hälfte der Ernte eingebracht.

(Aus: Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl. München 2003, Verlag C.H. Beck.)

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Wort des Monats Oktober 2003
... bis zum TZ

Er ist auch heute noch durchaus geläufig, der Ausdruck "bis zum TZ"; er wird gebraucht und ohne weitere Schwierigkeit verstanden in der Bedeutung "vollständig", "bis zum Ende", beispielsweise in der Äußerung "Er beantwortete alle Klausurfragen bis zum TZ". Bei oberflächlicher Betrachtung scheint der Ausdruck indessen keinen Sinn zu ergeben; er erschließt sich erst, wenn man weiß, daß er alten Kinderfibeln entstammt, in denen das Abc nicht mit dem Z, sondern mit dem TZ schloß. Wer also bis zum TZ gelernt hatte, beherrschte das Alphabet bis zum Ende. Ausgehend vom schulischen Alltag, wurde diese Bedeutung dann später auf alle Lebensbereiche übertragen.

Wort des Monats September 2003
Punsch

Friedrich von Schiller (1759-1805), dessen Leibspeise Knackwurst mit Kartoffelsalat war, hat in dem berühmten "Punschlied" dem Getränk seine literarische Reverenz erwiesen.

Vermutlich wurde die seit dem 17./18. Jahrhundert belegte Bezeichnung Punsch für das "heiß servierte alkoholische Mischgetränk", das in Europa durch die Engländer bekannt gemacht wurde, dem Hindi-Wort panch (altindisch páñca) mit der Bedeutung "fünf" entlehnt - nach den für einen echten Punsch notwendigen Grundbestandteilen: Arrak (oder Rum), Zucker, Zitronensaft, Wasser (oder Tee) und Gewürz. Peter F. Ganz (1957) führt einen älteren Beleg aus dem Jahre 1658 an: mit einem Geträncke, das sie Palepunschen nennen; Palepunschen, ebenso wie später bezeugte Worte wie Palipuntz oder Palepuntz (1669) beruhen - wie älteres französisches bolleponge - auf dem englischen Ausdruck bowl o' punch, woraus das englische Wort punch gekürzt zu sein scheint.

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats August 2003
Castor

Die kleinere Hauptfront des Quirinalspalastes wendet sich gegen die "Piazza del Quirinale", die früher "Monte Cavallo" hieß und von den Römern wohl heute noch so genannt wird, wegen der beiden marmornen Dioskurenstatuen, die schon seit dem Mittelalter hier aufgestellt sind. Wie hier wurden die Dioskuren ("Söhne des Zeus"), die Zwillinge "Kastor und Polydeukes" (lateinisch "Castor und Pollux"), oft als Rossebändiger dargestellt: sie galten als Helfer in der Seenot und im Kampf. Durch viele Heldentaten erwarben sich die Dioskuren unsterblichen Ruhm, so daß der große Herakles sie zu Leitern der von ihm erneuerten Olympischen Spiele erkor.

An "Castor" mag mancher denken, wenn es um Fragen der Entsorgung atomarer Rückstände geht. Wer wüßte schon auf Anhieb, daß die Bezeichnung "Castor" für den entsprechenden Behälter ein Kurzwort ist - für die englische Bezeichnung "Cask for Storage and Transport of Radioactive Material" ("Behälter zum Lagern und Transportieren von radioaktivem Material").

Wort des Monats Juli 2003
Präsentierteller

Die Leser der Spalte "Wort des Monats" haben sicher bemerkt, daß ich ihnen ein wenig Appetit machen möchte auf einige Erklärungen zu Wörtern und Redewendungen, die die linguistische Küche des Deutschen bereichern, daß ich sie ihnen sozusagen auf dem Präsentierteller serviere. Ein Blick in Johann Karl Gottfried Jacobssons "Technologisches Wörterbuch oder alphabetische Erklärung aller nützlichen mechanischen Künste, Manufacturen, Fabriken und Handwerker (...)", erschienen in den Jahren 1781-1795, verrät, daß der Präsentierteller 1793 noch als "großer Teller zum Anbieten oder Darreichen" umschrieben wurde; zugleich sprach aber Goethe auch schon im übertragenen Sinne von den Talenten, die "auf dem Präsentierteller der Gegenwart" lägen.

Wort des Monats Juni 2003
Delikatessen

Im Deutschen haben sich die Delikatessen semantisch unter anderem zu "feinen Wurstwaren", heute oft noch allgemeiner zu "köstlicher Speise" weiterentwickelt, im Amerikanischen zu "Imbißstuben"; in Frankreich ist die "delicatesse" geblieben, was sie ursprünglich war: das Wort für "Zartgefühl"; diese Verdeutschung aus dem Jahre 1789 stammt übrigens vom Erzähler und Publizisten Joachim Heinrich Campe (1746-1818) und war eine der wenigen schnell erfolgreichen Neubildungen.

Wort des Monats Mai 2003
Pfifferling
keinen Pfifferling wert

Rudolf Köster verweist in seinem Büchlein "Redensarten - Herkunft und Bedeutung" (1999) zu Recht auf viele Wörter und Wendungen, die eigentlich nicht mehr stimmen, weil sich die ihnen zugrunde liegenden Verhältnisse geändert haben, "z.B. Papier (nicht mehr aus Papyrus), Brille (ihre Gläser sind nicht mehr aus Beryll), Bleistift (heute nicht mehr aus Blei, sondern aus Graphit), zur Feder greifen (die Vogelfeder zu diesem Zweck hat ausgedient) und viele andere."

Der nach Pfeffer schmeckende Pfifferling, der heute durch die Umweltzerstörung zu einer kostspieligen Rarität geworden ist, hieß im Mittelhochdeutschen noch pfefferlinc und war damals in Massen zu finden. Schon seit dem 16. Jahrhundert wird dieser Speisepilz daher in der Redewendung als Sinnbild des Unbedeutenden oder Wertlosen benutzt und dient besonders zur Verstärkung der Negation. "Auch gebe ich keinen Pfifferling für die Aussagen jener (…) Augenzeugen" heißt es bei Günter Grass in der "Blechtrommel" (1959). Bei Oscar Blumenthal heißt es in einem Vierzeiler über "Blaustrümpfe", den er 1887 veröffentlichte:
Alle Eure poet’schen Siebensachen -
Ich schätze sie nicht ein Pfifferlein.
Nicht sollen Frauen Gedichte machen:
Sie sollen versuchen, Gedichte zu sein.

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats April 2003
Alkohol

Nicht medizinischen, eher ästhetisch-kosmetischem Zweck diente ursprünglich das, was sich hinter dem arabischen Wort "al-kuhl", in spanisch-arabischer Aussprache später "al-kuhúl", verbarg: Es war ein aus dem chemischen Element Antimon hergestelltes Pulver. Karl Lokotsch klärt uns in seinem "Etymologischen Wörterbuch" auf:

"Spießglanzpulver (…) zum Färben der Augenbrauen, Wimpern und Lider (…), noch im 16. Jahrhundert ist das hieraus entstandene Wort Alcohol in der Alchemie der geläufige Ausdruck für "trockenes feines Pulver", erst später wurde es zur Bezeichnung des Weingeistes benutzt."
(2. Aufl., 1975)

Helmut Birkhahn verweist in seiner 1985 erschienen "Etymologie des Deutschen" darauf, daß beim Entlehnungsvorgang manchmal die ursprüngliche Bedeutung eines Wortes lange erhalten bleibt und erst allmählich untergeht. Auch er geht von der semantischen Bestimmung des arabischen Wortes aus:

"Bleiglanz zum Färben der Brauen" (der heute durch orientalische Läden bei uns in Mode kommt) wird von deutschen Alchimisten als "sehr feines Pulver" ® "das Feinste einer jeden Sache" übernommen und aus "alcool vini" "das Feinste (= Destillat) des Weines" (= "Branntwein") elliptisch unser Alkohol gebildet."


(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats März 2003
Goldwaage - Seine Worte auf die Goldwaage legen

Wenn wir einem Gesprächspartner signalisieren, er solle nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, so bedeutet das für ihn, daß er nicht alles übergenau, gewissermaßen wortwörtlich nehmen soll: So hören wir z.B. "Du darfst doch nicht alles, was sie in der Erregung vorgebracht hat, auf die Goldwaage legen!"

Ein Wort auf die Goldwaage legen kann umgekehrt aber auch bedeuten, daß ein Sprecher in seinen Äußerungen vorsichtig ist oder sein muß: "Wenn man sich mit meinem Chef unterhält, muß man aber auch jedes Wort auf die Goldwaage legen." Zunächst fragen wir uns: Wie ist es eigentlich zu dem sprachlichen Vergleich mit der Goldwaage gekommen? Hans Dittrich gibt in seinem 1975 erschienenen Büchlein "Redensarten auf der Goldwaage" die Antwort:

"Noch zu Zeiten unserer Ururgroßmütter mußte ein Goldstück auf der Goldwaage genau nachgewogen werden, weil es oft am Rande ... beschnitten war. Beim Wiegen glichen einst Geldschneider, die man "Kipper" nannte, das Fehlgewicht durch schnelles Kippen der Münzen auf die Waagschalen und geschicktes Manipulieren beim Wiegevorgang (wippen) aus. Diese Kipper und Wipper gaben einer ganzen Zeit ihren Namen."

Der Ausdruck seine Worte auf der Goldwaage wägen kommt allerdings schon in den apokryphen Schriften der Bibel vor: er stammt aus dem Buche Jesu Sirach 21, 27 und 28, 29.

(Aus: Christph Gutknecht: Lauter spitze Zungen. Geflügelte Worte und ihre Geschichte. 3. Aufl., München 2001,Verlag C. H. Beck)

Wort des Monats Februar 2003
Jemanden über den Löffel barbieren

Der Kulturhistoriker, Soziologe und Volkskundler Wilhelm Heinrich Riehl (1823-1897) ist auch als Schriftsteller hervorgetreten. In seiner Erzählung mit dem Titel "Rheingauer Deutsch", die gegen 1925 entstanden ist, findet sich diese Stelle:

"Nun packte ihn der Schultheiß auf, rief seinen Knecht und ließ den Trunkenen ins Gemeindegefängnis schleppen, welches gleich hinterm Hause mit den Schweineställen unter ein Dach gebaut war. Dort konnte er wohlverwahrt seinen Rausch ausschlafen; den Schlüssel aber steckte der Schultheiß selber in die Tasche und sprach zum Knecht, denn er mußte immer sprechen: "Michel, den Kerl habe ich besiegt! Im Keller bleibt der Rheingauer alleweil Meister; wäre ich mit dem Weltbürger über der Erde zusammengetroffen, so würde er wahrscheinlich umgekehrt mich über den Löffel barbiert haben."

Ein Dreivierteljahrhundert später, am 12. September 2000, schrieb die Zeitung "Berliner Morgenpost" in einem Bericht über den EU-Gipfeltag in Nizza:

"Das Gezerre zuvor sollte nur ein Vorgeschmack für das Drama der letzten fünfeinhalb Stunden werden, das spät am Sonntagabend mit einem Aufstand eines halben Dutzends kleiner Staaten beginnt. Sie fühlen sich über den Löffel barbiert von einer französischen EU-Ratspräsidentschaft, die im Kampf um Macht und Einfluß allzu sehr auf den eigenen Vorteil geblickt habe."

Die heutige Bedeutung der Redewendung über den Löffel barbiert werden ist uns allen klar ("sich von einem Betrüger oder einem Übelgesinnten übervorteilen lassen"); die ursprüngliche Bedeutung war etwas milder, weist aber in dieselbe Richtung: "ohne Umstände/rücksichtslos behandelt werden". Die Wendung erschließt sich, was ihre Herkunft angeht, dem Uneingeweihten jedoch nicht. Wo ist die Lösung zu suchen?

Man hat sich vorzustellen, daß schlechte Barbiere in ihren Rasierstuben früher nicht gerade zart besaitet waren, als sie alten, zahnlosen Männern die eingefallenen, faltenreichen Wangen dadurch spannten, daß sie ihnen einen (hölzernen?) Löffel in den Mund schoben, um damit eine glatte Wölbung herzustellen, die sich besser barbieren - früher sagte man "balbieren" - ließ. Hans Sommer weiß die Szene im Jahre 1943 in seinen "Kulturgeschichtlichen Sprachbildern" noch anschaulicher zu schildern:

"Die Prozedur mit dem hölzernen Löffel - immer dem gleichen für die ganze wartende Kundenreihe - mochte wohl angehen für einen gemeinen Mann; den vornehmen Gast hingegen durfte man kaum so wenig taktvoll bedienen: er ließ sich nicht über den Löffel balbieren. Die üble Bedeutung des Ausspruchs ist dadurch hinlänglich erklärt. Der Nebenbegriff des heimlichen Betrogenwerdens im Wort "barbieren" oder "balbieren" mag auch hierin zu suchen sein, daß der Kunde in der spiegellosen Stube des Bartkünstlers es nicht merken konnte, wenn hinter seinem Rücken ein übler Streich ausgeheckt wurde."

(Aus: Christoph Gutknecht: Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten. 3. Aufl. München 2005: Verlag C. H: Beck)

Wort des Monats Januar 2003
Jubeljahr - alle Jubeljahre (einmal)

Im 3. Buch Mose (Leviticus) 25,10-11; 25 lesen wir im revidierten Text der Luther-Übersetzung aus dem Jahre 1964:

"Und ihr sollt das fünfzigste Jahr heiligen und sollt eine Freilassung ausrufen im Lande für alle, die darin wohnen; es soll ein Erlaßjahr für euch sein. Da soll ein jeder bei euch wieder zu seiner Habe und zu seiner Sippe kommen. Als Erlaßjahr soll das fünfzigste Jahr euch gelten. Ihr sollt nicht säen und, was von selber wächst, nicht ernten, auch, was ohne Arbeit wächst, im Weinberg nicht lesen... - Wenn dein Bruder verarmt und etwas von seiner Habe verkauft, so soll sein nächster Verwandter kommen und einlösen, was sein Bruder verkauft hat."

Die gleichen Stellen lauten in einer älteren Luther-Übersetzung aus dem Jahre 1912:

"Ihr sollt das fünfzigste Jahr heiligen und im Lande ein Freijahr ausrufen für alle, die drinnen wohnen. Es sei euch ein Jubeljahr, da soll ein jeder wieder zu seinem Besitz und seinem Geschlecht kommen. Ihr sollt nicht säen, auch nicht ernten, was in ihm von selbst wächst, und nicht die Trauen von den unbeschnittenen Weinstöcken lesen. - Wenn dein Bruder verarmt, so daß er etwas von seinem Besitztum verkaufen muß, dann sollen seine nächsten Verwandten als Löser für ihn eintreten und einlösen, was ihr Verwandter verkaufen mußte."

Und in der Luther-Übersetzung von Hermann Menge (13. Auflage, 1954) heißt es:

"[sollt ihr...] so das fünfzigste Jahr heiligen und sollt im Lande Freiheit (oder: Befreiung) für alle seine Bewohner ausrufen: ein Halljahr (oder: Jobeljahr*) soll es für euch sein, indem ein jeder wieder zu seinem Besitz kommen und ein jeder zu seiner Familie zurückkehren soll. - Wenn einer deiner Volksgenossen verarmt und etwas von seinem Grundbesitz verkauft, so soll sein nächster Verwandter als Löser für ihn eintreten und das wieder einlösen (= für ihn zurückkaufen) dürfen, was sein Verwandter verkauft hat."

Das Sternchen hinter dem Wort Jobeljahr führt uns auf eine mögliche sprachgeschichtliche Fährte, denn ihm ist folgende Erklärung beigefügt: "so genannt vom Schall der Widderhörner (hebräisch Jobel), die seinen Beginn ankündigten". Das hebräische Wort jobel und das lateinische Wort iubilum ("Aufjauchzen") dürften im Mittelalter miteinander verschmolzen sein.

Bei uns haben sich, wie wir alle wissen, weder die Ausdrücke Halljahr, Erlaßjahr oder Jobeljahr durchgesetzt, sondern Jubeljahr - vor allem, wenn wir mit der (seit dem 17. Jahrhundert belegten) Wendung alle Jubeljahr einmal ein Ereignis bezeichnen wollen, daß nur "in größeren Zeitabständen" eintritt.

Sicher ist nur, daß dieser Ausdruck Jubeljahr, wie die obigen Bibelstellen ausweisen, auf eine Vorschrift im alttestamentlichen Gesetz zurückgeht, derzufolge alle sieben Jahre der im vorausgegangenen Zeitraum veräußerte Grund und Boden wieder den ursprünglichen Besitzern zufallen sollte. Heinrich Krauss äußert sich in seinem Buch über "Geflügelte Bibelworte" (1999, S. 107) sehr vorsichtig hinsichtlich der sprachgeschichtlichen Herleitung:

"Das Wort kommt vermutlich vom Klang des Hornes (hebräisch Jobel), mit dem das Jahr eröffnet wurde. Luther übersetzte deshalb mit Halljahr, obwohl vielleicht auch die hebräischen Wörter jabal (= "als Gabe bringen") oder jebulk ("Ertrag des Landes") zugrunde liegen. Die katholische Kirche kennt vom Papst ausgerufene Jubeljahre als Anlaß zu einer Pilgerfahrt nach Rom zwecks Ablaßgewinnung, zum ersten Mal im Jahre 1300."

(Aus: Christoph Gutknecht: Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi. 3. Aufl. München 2003, Verlag C.H. Beck.)

Bücher zur Kategorie:

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_e Einleitung, Introducción, Introduction, Introduzione, Introduction
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Gutknecht, Christoph
Ich mach's dir mexikanisch
Lauter erotische Wortgeschichten

beck'sche reihe
256 Seiten
Paperback

(E?)(L?) http://www.beck-shop.de/iis/produktview.html/op/1/tocID/360/prodID/16064/

Coito, ergo sum - angeblich ist unsere Zeit in erotischen Dingen alles andere als zimperlich. Lust und Leidenschaft begegnen uns täglich in Werbung, Presse, Literatur und Fernsehen. Doch gibt es dafür ein angemessenes erotisches Vokabular, und wie hat es sich im Lauf der Zeit verändert? Was ist der Unterschied zwischen kourtoisieren, flirten, anbaggern oder Hühner antesten, zwischen Rendezvous, Stelldichein und dem modernen Date?

Christoph Gutknecht wagt sich in diesem unterhaltsamen Buch weit in jenen Bereich des „Volksvermögens“ vor, in dem die Wirklichkeit gelegentlich die Parodie überholt. Er untersucht unanständige Witze, obszöne Wirtin-Verse (auch von Goethe, Büchner und Stifter), Kontaktanzeigen und natürlich den ganz gewöhnlichen (erotischen) Sprachgebrauch. Alle Menschen werden prüder (Schiller) wird man nach der Lektüre seines neuen Buches schwerlich behaupten können.




(E?)(L?) http://www.wams.de/data/2004/08/15/319225.html


(E?)(L?) http://www.zeit.de/2004/53/Fragen_im_Stehen_53


Herr Professor Christoph Gutknecht, der auch das "Wort des Monats" für das Etymologie-Portal zur Verfügung stellt, hat sich in seinem neuen Buch einem im wahrsten Sinne "delikaten" Thema gewidmet ("delikat" = "fein", "heikel" geht zurück auf lat. "delicere" = "anlocken", "ergötzen").

Obwohl eine der schönsten Hauptsachen der Welt, fehlen einem dazu oft die Worte. Obwohl der bereitstehende Wortschatz durchaus umfangreich ist. Herr Gutknecht beleuchtet das Thema von folgenden Seiten: "Erotisch gesehen" könnte man ja sagen "Es gibt nichts Schönes - ausser man tut es". Aber sprachlich gesehen kann man auch sagen "Es gibt nichts Gutes - ausser man liest es".

Wenn man nicht gerade ein Keuschheitsgelübde abgelegt hat, wird man dieses Buch gerne zur Hand nehmen und mit Überraschung feststellen, wie gross unser Wortschatz auch (oder vielleicht gerade) im Bereich der zwischenmenschlichen Kommunikation ist.

Weitere Hinweise findet man beim Beck-Verlag und in der "Welt am Sonntag" und in der "Zeit".

Erstellt: 2005-01

Gutknecht, Christoph
Lauter blühender Unsinn
Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi

228S., Beck

Broschiert: 226 Seiten
Verlag: Beck; Auflage: Limitierte Sonderausgabe. (Mai 2008)
Sprache: Deutsch


Jeder weiß, was gemeint ist, wenn von "eine Nummer schieben" die Rede ist. Doch woher kommt dieser Ausdruck, was besagt er eigentlich? Christoph Gutknecht weiß die Antwort: Die seit etwa 1850 geläufige Wendung leitet sich her von der "Entgeltsberechnung bei Bordellprostituierten, die nach der Zahl ihrer Kunden entlohnt werden, oder von der Nummer, die im stark besuchten Bordell jeder Besucher erhält und nach der sich die Reihenfolge der Abfertigung richtet". Wer, bitteschön, hätte das gewusst?

Diese sowie 158 andere amüsante, oftmals verblüffende etymologische Erklärungen finden sich im neuesten Buch des Hamburger Linguistik-Professors Christoph Gutknecht, der schon mit Lauter böhmische Dörfer, Lauter spitze Zungen und Lauter Worte über Worte erfolgreich den Entstehungsgeschichten und tieferen Bedeutungen denkwürdiger sprachlicher Ausdrücke auf den Grund ging.

Warum "nagt jemand am Hungertuch", warum "gibt jemand Fersengeld", warum "geht einem der Arsch auf Grundeis"? Woher kommt "hinterfotzig", woher "hanebüchen", woher "hirnverbrannt"? Wann wird eine "Milchmädchenrechnung" aufgemacht, wann hat man "Bammel", wann ist jemand eine "Augenweide", wann nur "aufgedonnert"? Warum wird "abgezockt", "geblecht", "verhohnepipelt", "verhunzt", "im Stich gelassen", "auf den Busch geklopft" und "getürkt"? Und wieso um alles in der Welt "zieht es wie Hechtsuppe"? Fragen über Fragen - und auf jede gibt es eine Antwort: kompetent, scharfsinnig und oft augenzwinkernd.

Gutknecht hat mit diesem Buch wieder ganze Arbeit geleistet: Seine sprachhistorischen und semasiologischen Erklärungen umgangssprachlicher Begriffe und Redewendungen sind tadellos recherchiert, übersichtlich zusammengestellt und leicht verständlich, amüsant und kurzweilig aufbereitet. Also: Kein "Geizkragen" und kein "Pfennigfuchser" sein und den Kauf dieses Buches nicht "auf die lange Bank" schieben, denn wenn man es gelesen hat, kann man sprachlich jedem "Paroli bieten". Und das ist oft ja schon "die halbe Miete".

Christoph Nettersheim


(E?)(L?) http://www.beck-shop.de/iis/produktview.html/catID/3/tocID/360/prodID/559341/

Warum ist der "blaue Montag" blau, woher kommen Wörter wie "Muckefuck" und "hanebüchen" und Redensarten wie "am Hungertuch nagen" oder "es zieht wie Hechtsuppe". Was ein "Schlauberger" ist, weiß jeder, aber woher kommt das Wort? Christoph Gutknecht geht in diesem sprach-geschichtlichen Buch auf unterhaltsame Weise sogenannten "Volksetymologien" nach, räumt in witziger und scharfsinniger Form mit vielen sprachlichen Mißverständnissen auf, geht dem "blühenden Unsinn" vieler Aus- und Umdeutungen auf den Grund und klärt nicht zuletzt die entscheidende Frage, was hinter dem Ausdruck "frech wie Oskar" wirklich steckt.




(E?)(L?) http://www.sign-lang.uni-hamburg.de/fb07/EnglS/H_gutkne.htm


(E1)(L1) http://rhein-zeitung.de/on/02/01/24/magazin/news/buc-sprache.html?a

"Dufte", das Adjektiv und Adverb, hat nichts mit "Duft" zu tun und "betucht" nichts mit "Tuch". Das wissen vielleicht auch viele Sprachkundige nicht. Ebenso wenig, wie ihnen das Entstehen von pseudoenglischen Worten wie "Musikbox" und "Twen" bekannt ist.


Der Umschlagstext lautet:

Warum ist der "blaue Montag" blau, woher kommen Wörter wie "Muckefuck" und "hanebüchen und Redensarten wie "am Hungertuch nagen" oder "es zieht wie Hechtsuppe"?

Was ein "Schlauberger" ist, weiss jeder, aber woher kommt das Wort?

Christoph Gutknecht geht in diesem sprachgeschichtlichen Buch auf unterhaltsame Weise sogenannten "Volksetymologien" nach, räumt in witziger und scharfsinniger Form mit vielen sprachlichen Missverständnissen auf, geht dem blühenden Unsinn vieler Aus- und Umdeutungen auf den Grund und klärt nicht zuletzt die entscheidende Frage, was hinter dem Ausdruck "frech wie Oskar" wirklich steckt.

Das "Verzeichnis der Stichwörter" enthält Verweise auf folgende Begriffe:

A: das A und O von etwas sein | abblitzen (lassen) | ABC-Schütze | Aberglaube | Aberwitz | abgöttisch | abknöpfen | Abwesenheit (durch ~ glänzen) | abzocken | Achillesferse | Allotria | anberaumen | argusaugen (haben) | Armbrust | Ärmel (etwas aus dem ~ schütteln) | Armutszeugnis | Arsch (jemandem geht der ~ auf Grundeis) | Art (aus der ~ schlagen) | aufgedonnert sein | Augiasstall (reinigen) | ausbaldowern | ausstechen (jemanden ~) | Bammel (haben) | Banause | Bank (auf die lange ~ schieben) | bankrott (gehen) | berappen | Berserker (wüten wie ein ~) | beschuppen | betucht | Biedermeier | blechen | Blume (durch die ~) | böhmische Dörfer | Boykott | Bramarbas | Busch (auf den ~ klopfen) | Chuzpe | Dach (jdm. aufs ~ steigen) | Deut (keinen ~ besser/schlechter) | dezimieren | Dorn im Auge | Drückeberger | dufte | Effeff (aus dem ~) | Eichhörnchen | Elfenbeinturm | Elle (mit gleicher ~ messen) | Erlkönig | Eulen nach Athen tragen |

Fallstrick | Fersengeld geben | Fiasko erleben | Friss, Vogel, oder stirb! | fünf gerade sein lassen | Fünfte Kolonne | Fuss (auf grossem ~ leben) | Geizhals | Geizkragen | Geruch (in schlechtem ~ stehen) | gordischer Knoten | Grube graben | Hals- und Beinbruch | hanebüchen | Hechtsuppe (es zieht wie ~) | Heller (keinen ~ wert sein) | Herbstzeitlose | hermetisch | Herz (auf Herz und Nieren) | hinterfotzig | hirnverbrannt | homerisch | Hühnerauge | Hundertsten (vom ~ ins Tausendste kommen) | Hungertuch (am ~ nagen) | Idiot | Idiotentest | Irren ist menschlich | Jahr (nach ~ und Tag) | Kaff | Kaffer | Kainsmal | Kastanien aus dem feuer holen | keß | Kleinod | Knickerbocker | Kopf hängen lassen | Korn (die Flinte ins ~ werfen) | Kraftmeier | Kratzfuss machen | Lamäng | Lästerzunge | Letzt (zu guter ~) | Mammon (schnöder ~) | Marotte | Mehltau | Miese (in den ~ sein) | Michmädchenrechnung |

Missionarsstellung | Moneten | Montag (blauer ~) | Moos | Muckefuck | null und nichtig | Null-acht-fünfzehn | Null-fünf-achtzehn | Nummer schieben | Nummer (jemand ist eine ~ für sich) | Obolus entrichten | Ohr (es faustdick hinter den Ohren haben) | Oskar (frech wie ~) | Otto Normalverbraucher | P (ein P davor setzen) | Pamphlet | panische Angst haben | Paroli bieten | petto (etwas in ~ haben) | Pfennigfuchser | piekfein | Puppen (bis in die Puppen) | Purzelbaum | Reibach | Reptilienfonds | Ros' (es ist ein ~ entsprungen) | Rumpelstilzchen | Sauerampfer | Scherflein (sein ~ beitragen) | Schlauberger, Drückeberger | Schlitzohr | Schmuh machen | Spaltpilz | Stich (jemanden im ~ lassen) | Stilblüte | Streiten um des Kaisers Bart | Taler | Taxi | Techtelmechtel | türken | Tuten (von ~ und Blasen keine Ahnung haben) | TZ (bis zum TZ) | Urständ (fröhliche ~ feiern) | verhohnepiepeln | verhunzen | Windjammer | Wischiwaschi | Witzbold | X (ein X für ein U vormachen) | Zaster | Zehntausend (die oberen ~) | Zeitliche (das ~ segnen) | Zweck (der ~ heiligt die Mittel) |

Damit hat sich Christoph Gutknecht wieder einige interessante Begriffe vorgeknöpft und in kurzweiligen Wortgeschichten untersucht.

Erstellt: 2002-11

Gutknecht, Christoph
Lauter böhmische Dörfer
Wie die Wörter zu ihrer Bedeutung kamen

beck'sche reihe
212 Seiten

In dem Taschenbuch aus der Beck'schen Reihe sind folgende Kapitel zu finden:


Erstellt: 2002-09

(E?)(L?) http://www.beck-shop.de/iis/produktview.html/catID/3/tocID/360/prodID/154876/

Daß sich "Elend" von "Ausland" ableitet, die "Kandidaten" ursprünglich "candidati", "Weißgekleidete" waren, "Schlittschuhe" zunächst "Sch -r-ittschuhe" hießen, daß "kunterbunt" von "Kontrapunkt" kommt, "Nikotin" von dem Botschafter "Jean Nicot", doch "Benzin" nicht von Herrn Benz - wer hätte das gedacht!

Quer durch die europäischen Sprachen erzählt der Hamburger Linguist - ohne Fachjargon und unakademisch wie in seiner seit Jahren beliebten Radioserie im Norddeutschen Rundfunk - überraschende und vergnügliche Geschichten aus den "böhmischen Dörfern" der Sprache: zur Herkunft und zum Bedeutungswandel der Wörter, zur Rolle von Dialekten, Fremdwörtern und Neubildungen, zum ironischen und parodistischen Spiel der Dichter mit den Wörtern. Ein Lesevergnügen der seltenen Art!




(E?)(L?) http://www.beck-shop.de/iis/produktview.html/catID/3/tocID/360/prodID/1076725/


Gutknecht, Christoph
Lauter spitze Zungen
Geflügelte Worte und ihre Geschichte

beck'sche reihe
292 Seiten

Das Inhaltsverzeichnis listet folgende Themen in diesem Werk:

(E?)(L?) http://www.beck-shop.de/iis/produktview.html/catID/3/tocID/360/prodID/154877/

Wenn eine Familie mit "Kind und Kegel" in Ferien fährt, so heißt dies eigentlich, sie nimmt außer den ehelichen auch die unehelichen Kinder mit; "Kegel" ist ein altes deutsches Wort für einen "Bankert" ("ein uneheliches Kind").

Das Wort "Pudel" hingegen kommt von "pudeln", einem alten Ausdruck für "herumplätschern". "Pudel" nannte man früher einen für die Wasservögeljagd abgerichteten Hund. Deshalb also der bemitleidenswerte "begossene Pudel" und das Adjektiv "pudelnaß". Aber warum "pudelwohl"?

Christoph Gutknecht erzählt in diesem Band überraschend und unterhaltsam von "geflügelten Worten" und ihrer Geschichte - quer durch die europäischen Sprachen.




Gutknecht, Christoph
Lauter Worte über Worte
Runde und spitze Gedanken über Sprache und Literatur

beck'sche Reihe

(E?)(L?) http://www.beck-shop.de/iis/produktview.html/catID/3/tocID/360/prodID/237150/

In diesem Buch finden sich runde und spitze Gedanken von fast 300 europäischen und außereuropäischen Schriftstellern, Essayisten, Dichtern und Philosophen aus verschiedenen Jahrhunderten, vom lateinischen Grammatiker Terentianus Maurus (3. Jahrhundert n. Chr.) bis zum österreichischen Schüttelreimexperten Reitfloh Widersinn. Es sind - im weitesten Sinne - Worte über Worte, über Schimpfworte und Schlagworte, über Sprechen und Schreiben, Schwätzen und Schweigen, Plappern und Plaudern, über Lästerzungen und Zoten, Rede und Nachrede, über Klatsch, Wortklauberei, Wortkunst oder Wortspiele - und natürlich über deren Verfasser und Leser. Die Stichwörter reichen von A bis Zunge und enthalten literarische und nichtliterarische Zitate und Anti-Zitate, Aphorismen (auch solche über Aphorismen), Gedichte, geflügelte Worte, Gemeinplätze und eine Vielzahl von Sprüchen (auch solche über Widersprüche). Das Buch wird jeden begeistern, der sich beruflich oder aus Neigung mit Sprache und Literatur beschäftigt. Es ist ein Vergnügen, darin zu blättern und zu schmökern.


In dieser Zitatesammlung dreht sich alles um die Sprache. Seit 2000 Jahren haben sich Bekannte und weniger Bekannte, Schriftsteller und Schriftversteller, Sprachverteidiger und Sprachschützer mit Bonmots über die Sprache hergemacht.

Christoph Gutknecht hat die Schimpf- und Schlagworte gesammelt und in diesem Buch vereint.

Das Verzeichnis der Stichwörter enthält folgende Einträge:



Gutknecht, Christoph
Pustekuchen!
Lauter kulinarische Wortgeschichten

München: C. H. Beck 2002 - beck'sche Reihe
288 S., 9,90 Euro
ISBN 3-406-47621-X

(E?)(L?) http://www.beck-shop.de/iis/produktview.html/catID/3/tocID/360/prodID/788592/

Christoph Gutknecht legt hier amüsante Erläuterungen zu Wörtern unserer Küchensprache auf den Präsentierteller und serviert verblüffende Antworten auf sprachlich-kulinarische Fragen. Enthält die "Aalsuppe" wirklich Aal, kommt der "Kasseler Rippenspeer" aus Kassel? Was bedeuten eigentlich "Labskaus" oder "Pumpernickel"? Gedeiht die "Schattenmorelle" nur im Schatten? Was ist an der "Betriebsnudel" nudelig, warum sind "Tomaten treulos" oder Politiker "ausgekocht"? Es ist "klar wie Kloßbrühe", daß zahlreiche Literaten und Dichter das Schlemmen und Trinken besungen haben, und kein geringerer als George Bernard Shaw prägte den Satz: „Es gibt keine aufrichtigere Liebe als die zum Essen.“ Daher werden in diesem Werk zwischen Kochrezepten und sprachwissenschaftlichen Gängen poetische Delikatessen gereicht.


Das Verzeichnis der Stichwörter gibt einen Eindruck der zu findenden Wortgeschichten. Es sind zwar nicht zu allen Begriffen etymologische Hinweise zu finden, aber in allen Fällen interessante Wortgeschichten.



Erstellt: 2002-10

Folgende Information erhielt ich vom Autor, Herrn Gutknecht:

Rezension von Rudolf Grimm (dpa) in "Frankfurter Rundschau" vom 17.10.2002, S. 34.

Der Pfannkuchen ist den Berlinern wurscht - das Kasseler nicht
Viele geflügelte Worte stützen sich auf den Küchenjargon, auch wenn sie damit wenig zu tun haben
Von Rudolf Grimm (Hamburg/dpa)
Der Präsentierteller und die treulose Tomate, die Zimtziege und der Senf, den manche immer gern dazugeben - all das ist nicht wirklich in der Küche oder am Herd entstanden. Und doch hat die Welt des Kulinarischen eine besonders kreative sprachliche Kraft - das belegen auch das Beefsteak Tatar und der Zigeunerbraten, die Bouillabaisse, das Eisbein und die Saltimbocca, das Labskaus und das Tiramisu. Der Hamburger Linguistikprofessor Christoph Gutknecht hat das in seinem neuesten Buch untersucht.

Eisbein

Warum wird zum Beispiel in Berlin und Norddeutschland Eisbein genannt, was in anderen Gegenden Schweineknochen, Schweinsfüße, Knöchle oder Schweinshaxen heißt? Antwort: Im 17. Jahrhundert brachten holländische Einwanderer das Eislaufen nach Berlin. Für die Kufen benutzte man damals häufig Knochen aus den Hinterbeinen der Schweine - eben Eisbeine.

Kasseler

Kurios erscheint es, dass das krapfenähnliche Gebäck, das anderswo Berliner Pfannkuchen oder schlichtweg Berliner und in Portugal Bolas do Berlin (Berliner Bällchen) genannt wird, in der deutschen Hauptstadt einfach Pfannkuchen heißt. Zugleich erhebt die Hauptstadt einen Herkunftsanspruch, der woanders entschieden bestritten wird - nämlich auf das gepökelte Kotelettstück Kasseler Rippenspeer. Noch kürzlich wurde in einem in Berlin veröffentlichten Kochbuch die bereits früher aufgetauchte Version gedruckt, wonach "das Kasseler" von einem Schlachtermeister namens Cassel in der Potsdamer Straße 15 erfunden worden sei.

Chop Suey

Zuordnungen sind jedenfalls oft problematisch. So wird das weltweit in China-Restaurants servierte "Chop Suey" von vielen Gästen für ein klassisches Gericht der chinesischen Küche gehalten. Seine Verbreitung verdankt es allerdings chinesischen Köchen in den USA, wobei umstritten ist, ob es dort auch kreiert oder von einigen Einwanderern aus ihrem Heimatdistrikt mitgebracht wurde.

Hamburger

Sicher erscheint, dass das ebenfalls international beliebte Hamburger Steak (Kurzform Hamburger) aus Deutschland stammt und im 19. Jahrhundert mit Auswanderern über Hamburg in die Vereinigten Staaten gelangte. Als seine eigentliche Geburtsstunde gilt die Weltausstellung in St. Louis 1904, als der gebratene Fleischklops erstmals zwischen zwei Brötchenhälften serviert worden sein soll.

"Die US-amerikanische und britische Bezeichnung "hamburger" ist keineswegs eine Wortmischung aus "ham" ("Schinken") und "burger" (eine Art Brötchen), sondern eine Kurzform vom "hamburger steak". Das Hackfleisch ist offenbar mit deutschen Auswanderern im 19. Jahrhundert über Hamburg in die Vereinigten Staaten von Amerika gelangt . . ."

Maggi

Das Rezept der ebenfalls fast überall bekannten Maggi-Würze ist zwar bis heute Betriebsgeheimnis. Aber bekannt ist, dass dieser Sammelname für eine Anzahl Produkte auf den Schweizer Firmagründer italienischer Abstammung Julius Michael Johannes Maggi (1846-1912) zurückgeht. Er wird historisch korrekt wie "madschi" ausgesprochen, betont Professor Gutknecht.

Pumpernickel

Für den so rätselhaft klingenden Pumpernickel ist eine schon alte Erklärung inzwischen weitgehend akzeptiert - sie spielt auf die Folgen dieses würzigen Roggenschrotbrots an: der pumpernde (einen Wind streichen lassende) Kobold Nickel (Kurzform von Nikolaus). Ursprünglich war Pumpernickel Schimpfwort für einen bäuerischen, ungehobelten Menschen.
Das Brot heißt also übersetzt so viel wie "Furzheini".

wurscht

Fußballtorwart Oliver Kahn ließ kürzlich wissen, dass er sich von der Zuschauerkulisse eines Spiels nicht beeindrucken lasse. "Es ist mir wurscht, ob ich in Wembley, in San Siro oder Barcelona spiele" sagte er. Die Herkunft dieser gängigen Sprachentlehnung aus dem Kulinarischen ist unklar. Vielleicht hat sie damit zu tun, dass die Wurst allgemein als grobe und unfeine Kost im Gegensatz zum edlen Braten gilt. "Der Inhalt einer Wurscht bleibt ewig unerfurscht", lautet ein Scherzreim.
Heißt also: Es ist ganz egal, ebenso egal, wie das, was in die Wurst hineinkommt.

Pustekuchen (W2)

Manches "Küchenlatein" hat gar nichts mit Speisen zu tun. Das gilt zum Beispiel für "Pustekuchen!" im Sinne von "denkste!". Das Wort weder mit dem neuhochdeutschen Verb pusten noch mit dem Substantiv Kuchen etwas zu tun hat. Es geht auf zwei jiddische Worte zurück, "poschut" und "kochem", "chochem" = "klug", "wissend" das auch in der Kennzeichnung eines Menschen mit "ausgekocht" steckt, die also ebenfalls überhaupt nichts mit Kulinarischem zu tun hat.

(E?)(L?) http://www.zeit.de/2003/21/geniessen
Wissenschaft - Sprachliche Köstlichkeiten

Über die Herkunft geflügelter Worte der Küchensprache wurde viel spekuliert. Der Autor Christoph Gutknecht aus Hamburg erklärt in seinem Buch, was es mit Pustekuchen, Eisbein und treuloser Tomate so auf sich hat.

Von Katrin Protze

Warum sagt man "Es ist mir wurscht", wenn einem etwas egal ist, und nennt einen unzuverlässigen Menschen "treulose Tomate"? Wurde der Kasseler Rippenspeer in Kassel und der Hamburger wirklich in Hamburg erfunden? Wie Lebensmittel in die Umgangssprache kamen und ob die Namen von Speisen auch halten, was sie versprechen, das untersucht der Hamburger Sprachforscher und emeritierte Anglistik-Professor Christoph Gutknecht (63) in seinem neuen Buch "Pustekuchen! - Lauter kulinarische Wortgeschichten".

Es ist das fünfte Werk des Autors, in dem es skurrile Enthüllungen zur Herkunft geflügelter Worte gibt. Nach "Lauter Worte über Worte" (1999), "Lauter böhmische Dörfer" (2000), "Lauter spitze Zungen" (2001) und "Lauter blühender Unsinn" (2002) konzentriert sich der Wissenschaftler diesmal allerdings auf Sprachliches aus der Welt der Kochlöffel und Küchenschürzen.

Alphabetisch geordnet finden sich auf 288 Seiten 174 kulinarische Einträge von Aalsuppe über Berliner und Eisbein zu Pumpernickel, Pustekuchen und Zimtziege. Neben den erstaunlichsten Ergebnissen aus der aufwendigen Recherche gibt es zu jedem Ausdruck Gutknechts heißeste Spekulation zum Wortursprung. "Über die Herleitung der meisten Wörter wurde viel gemutmaßt", sagt der 63-Jährige und fügt lächelnd hinzu: "Entschieden habe ich mich für die Erklärung, die am meisten Sinn macht."

treulose Tomate

Für den Ausdruck "treulose Tomate" gibt er vier mögliche Antworten aus der sprachgeschichtlichen Forschung, bevor er sich festlegt: Schuld an der blumigen Formulierung ist die begrenzte Haltbarkeit von Tomaten. Gemeint ist: Auf den Tomatenhandel kann man sich als Einnahmequelle genau so wenig verlassen wie auf unzuverlässige Personen.

"Angefangen hat alles mit einem Essen bei Freunden und der Frage, ob Aalsuppe wirklich Aal enthält oder - wie viele vermuteten - alles Mögliche, nur kein Aal", sagt Gutknecht. Zu Hause habe er dann in seiner Bibliothek so lange historische Lexika und antike Kochbücher gewälzt, bis er den Beweis gefunden hätte: Die Hamburger Aalsuppe enthalte nach der Tradition neben Gemüse auch gekochten Aal, so ein Hamburger Kochbuch von 1788.

"Verrückt", dachte sich der von Natur aus neugierige Wissenschaftler und fragte sich: "Wenn Aalsuppe wirklich Aal enthält, wie viel haben dann die bildhaften Ausdrücke Pustekuchen, Eisbein und Pumpernickel mit Kuchen, Eis und rostbraunem Metall zu tun?"

Berliner (W3)

So einfach lässt sich aber nicht alles herleiten - so mutet Gutknechts Recherche-Ergebnis zur Herkunft der Worte "Berliner" und "Kasseler" sehr kurios an: Das krapfenähnliche Gebäck, das anderswo "Berliner Pfannkuchen" oder "Berliner" und in Portugal "Bolas do Berlin" (Berliner Bällchen) genannt wird, heißt in der Hauptstadt "Pfannkuchen" - hat also seinen Ursprung auf keinen Fall in Berlin.

Bleiben nur noch die Fragen: Kommt der Hamburger wenigstens aus Hamburg? Oder was hat eine Betriebsnudel mit Pasta zu tun? Auch darauf hat der Autor, dessen Hobbys das Lesen und Essen sind, eine Antwort.

ausgekocht

Geht auf das jiddische Wort kochem (weise) zurück und bezeichnet Menschen, die raffiniert, verschlagen oder durchtrieben sind.

Brezel

Ein Gebäck in Form von (verschlungenen) Armen - so legt es der lateinische Ursprung "brachium" nahe.

Currywurst

"Diese kulinarische Köstlichkeit ist am 4. September 1949 von der Imbissbesitzerin Herta Charlotte Heuwer aus Charlottenburg erfunden worden, die während der Zeit der "Berliner Luftbrücke" für das Surrogat ("Ersatz", Anm.) ursprünglich alle möglichen Gewürzreste verwendete, nur um sie noch zu verwerten . . ."

Döner Kebab (W3)

Ein Braten vom Drehspieß; "döner" ist das türkische Wort für "sich drehend", "kebabetmek" für "an Spießen bratend".

Erbsenzähler (W3)

Sind übergenaue, um nicht zu sagen geizige Zeitgenossen - das geht schon aus Grimmelshausens "Der abenteuerliche Simplicissimus" (1669) hervor.

Früchte

Biblisch: "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen." (Matthäus 7,16).

Gin-Tonic

Die so genannte Alkoholregel nach den Linguisten Cooper/Ross besagt, dass das stärkere Getränk zumeist vor dem schwächeren erwähnt wird. Ausnahme: Z. B. Cola-Rum.

Ingwer

Ein kulturelles Wanderwort. Stammt aus Südostasien, wurde in Indien aus den dravidischen Sprachen zusammen mit deren Wort für Wurzel in die mittelindischen Sprachen entlehnt, von dort einerseits über die mitteliranischen Sprachen, andererseits über das Griechische in die Sprachen Europas und Afrikas verbreitet.

Kaffeeklatsch

Dazu dichtete der Dadaist Kurt Schwitters (1887-1948): Frau Müller, Frau Meier, Frau Schulze, Frau Schmidt, / Die saßen zusammen beim Kaffee zu dritt. / Die vierte war nämlich zu Hause, / Sie hatte Kaffeeklatschpause. / Die andern aber berieten zu zwein, / Wer von den vieren die dritte sollt sein./ Und kamen in hitzigem Rate / Zu keinerlei Schlussresultate.

Ohrfeige

Eventuell vom niederländischen "oorveg", wobei "veeg" mit "Streich", "Hieb" übersetzt werden kann.

Pizza Margherita

Benannt nach der 1851 geborenen Königin von Italien, die der Legende nach Pizza - belegt in den Nationalfarben mit Paradeiser, Mozzarella und Basilikum - über alles liebte.

Quark

"Solch einen Quark mußt du mir künftig nicht mehr schreiben", teilte J. H. Merck seinem Freund Goethe zu "Clavigo" mit - vermerkt u. a. im Lexikon "Goethes merkwürdige Wörter".

Rechaud

Ein mit Kerzen beheiztes Stövchen zum Warmhalten von Speisen und Getränken. Vom französischen Wort chaud (warm). Oder doch nach dem für seine subtile Kochkunst berühmten Monsieur Re´chaud?

Schmalhans

Dünner Koch = schlechte Küche/geiziger Dienstherr. Darauf dürfte - so die Brockhaus-Enzyklopädie 1999 - die Personifizierung Schmalhans für Hunger oder Ungastlichkeit zurückgehen.

Toast

Nicht ganz unumstritten: Früher wurde geröstetes Brot in die gefüllten Gläser getaucht, um den Geschmack der Getränke zu verbessern. Als die Getränke aromatischer wurden, kam das Eintunken aus der Mode, die begleitenden Trinksprüche blieben - als Toast.

Vegetarier

Wer sich vorwiegend von pflanzlicher Kost ernährt, gilt seit Mitte des 19. Jahrhunderts als Vegetarianer, seit 1900 als Vegetarier. "Vegetarier reizen offenbar dazu, parodiert zu werden . . ."

Wiener Würstchen

Heißen entweder nach Herrn Wiener, dem Gehilfen einer Kellerweinstube, oder nach der Weinstube namens Wiener. Jedenfalls stammen sie aus Berlin.

Bei uns in Österreich heißen die "Wiener Würstchen" "Frankfurter"!
(A: roge)

Zimtziege

"Hämische Bezeichnung für eine schnippische, fortwährend meckernde Frau; sehr starke Abwertung, fast Beleidigung."

Gutknecht, Christoph
Von Treppenwitz bis Sauregurkenzeit
Die verrücktesten Wörter im Deutschen

Broschiert: 224 Seiten
Verlag: Beck; Auflage: 1 (Februar 2008)
Sprache: Deutsch


Kurzbeschreibung
"Verhohnepipeln", "verhunzen", "einen Türken bauen" - es gibt im Deutschen zahlreiche Wörter, die man nur schwer etymologisch herleiten kann. Sie haben sich im Laufe der Geschichte semantisch verändert, so daß man ohne Kenntnisse der Kulturgeschichte nicht weiß, wovon die Rede ist. Christoph Gutknecht geht in diesem Buch den Wandlungen der Sprache nach, die zu den amüsanten, ausgefallenen, innovativen und oft schlichtweg verrückten Wortschöpfungen geführt haben. Sein Streifzug durch die Kultur- und Sprachgeschichte wird allen gefallen, denen die deutsche Sprache mehr ist als "höherer Blödsinn".

Über den Autor
Christoph Gutknecht lehrte bis zum Jahre 2001 als Professor Linguistik an der Universität Hamburg und ist seitdem freier Publizist und Synchronsprecher für Film und Fernsehen. Bei C.H. Beck sind von ihm u.a. erschienen: "Lauter spitze Zungen. Geflügelte Worte und ihre Geschichte"(2001), "Lauter blühender Unsinn. Erstaunliche Wortgeschichten von Aberwitz bis Wischiwaschi" (2003), "Pustekuchen! Lauter kulinarische Wortgeschichten" (2003), "Ich mach's dir mexikanisch! Lauter erotische Wortgeschichten" (2004), "Lauter böhmische Dörfer. Wie die Wörter zu ihrer Bedeutung kamen" (2004).


(E?)(L?) http://www.chbeck.de/productview.aspx?product=23209

Beischlaf - Bis in die Puppen - Europamüde - Hans-Dampf-in-allen-Gassen - Höchste Eisenbahn - Journaille - Kohldampf (schieben) - Lästerzunge - Manoli - Playboy - Schickeria - Schlaraffenland - Toast - Verhunzen

"Verhohnepipeln", "verhunzen", "einen Türken bauen" - es gibt im Deutschen zahlreiche Wörter, die man nur schwer etymologisch herleiten kann. Sie haben sich im Laufe der Geschichte semantisch verändert, so daß man ohne Kenntnisse der Kulturgeschichte nicht weiß, wovon die Rede ist. Christoph Gutknecht geht in diesem Buch den Wandlungen der Sprache nach, die zu den amüsanten, ausgefallenen, innovativen und oft schlichtweg verrückten Wortschöpfungen geführt haben. Sein Streifzug durch die Kultur- und Sprachgeschichte wird allen gefallen, denen die deutsche Sprache mehr ist als höherer Blödsinn.


(E1)(L1) http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/774145/


(E1)(L1) http://podster.de/episode/590869
Zum Anhören:


Episode: Verhohnepiepeln bis in die Puppen - Christoph Gutknecht: "Von Treppenwitz bis ..
Podcast: dradio.de Kritik
Veröffentlicht: am 23.04.2008 um 13:33
Dateigröße: 1.74 MB
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Beschreibung: Schon in Büchern wie "Lauter böhmische Dörfer" oder "Pustekuchen" hat der emeritierte Linguist Christoph Gutknecht über die Herkunft und Geschichte von Wörtern und Redensarten aufgeklärt. Auch in seinem neuesten Werk bietet er unterhaltsame und lehrreiche Wortgeschichten.


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